Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story
anderen hinaus.
Nick sagte mir immer wieder, dass ich nichts Unrechtes getan habe und mich für nichts schämen müsse. Er sagte mir, ich solle stolz auf mich sein und darauf, wie weit ich es gebracht hatte.
»Aber alle schauen mich an«, erwiderte ich dann immer.
»Mach dich nicht lächerlich«, antwortete er dann, »das kommt bloß, weil du eine andere Hautfarbe hast und andere Haare. Aber du hast wenigstens Haare.«
Er rubbelte sich dann reumütig die Glatze, und ich lachte.
Da ich mit meinen Nachbarn nicht zurechtkam, schlug Nick mir vor, mit Michael in seine Wohnung zu ziehen, denn er war ja sowieso die meiste Zeit weg. Diese Einladung nahm ich mit Freuden an, denn es war mir jetzt gestattet, mit einem Mann zusammenzuleben. Von dem Augenblick an, als wir einzogen, fühlte ich mich sicher und entspannt. Nick war so sanft, witzig und romantisch.
Da er meinte, dass wir öfter einen Tapetenwechsel brauchten, kaufte er auf dem Campingplatz Primrose Valley in Scarborough einen Wohnwagen, und dort fuhren wir dann mit den Kindern übers Wochenende hin. Ich nannte mich Christine, wenn wir dort waren, da ich es vermeiden wollte, als »die Mörderin« wiedererkannt zu werden. Schließlich hatte ich das Gefühl, wieder ohne Angst und hoch erhobenen Hauptes ausgehen zu können. Mir war immer unwohl dabei, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten; das hätte ich vielleicht zu Hause auf den Philippinen gemacht. Aber Nick bestand darauf. Immer wenn wir an jemandem vorbeigingen, packte er mich fester, damit ich nicht entwischen konnte - und das vermittelte mir ein enormes Gefühl von Sicherheit.
Eines Tages gingen wir am Strand spazieren. Es war herrlich, wieder am Ozean zu sein, selbst wenn das Meer hier grauer war als das meiner Kindheit und der Strand steiniger. Plötzlich sah ich eine im Sand gestrandete Qualle. Da ich nicht wusste, was das war, hob ich sie auf, bevor
Nick mich daran hindern konnte, und sie verätzte mich arg. Ich musste noch so viel über meine neue Heimat lernen!
Auf dem Campingplatz lernte ich, dass es möglich war, uns als Familie in der Öffentlichkeit sehen zu lassen; wir hielten uns hoch erhobenen Hauptes alle drei an der Hand. Als Nick uns einmal in eine Zaubervorführung einlud, setzten wir uns in die erste Reihe. Er hielt weiterhin meine Hand, obwohl ich wusste, dass meine Handflächen schweißnass wurden. Aber das war schon in Ordnung; niemand sagte etwas oder sah uns scheel an, und so konnte ich mich entspannen und die Vorstellung genießen. Als wir nach Guisborough nach Hause kamen, überredete mich Nick, es dort genauso zu machen. Wir liefen Händchen haltend wie Teenager durch die Stadt, und ein paar Wochen später gingen wir in einen Nachtclub. Noch ein paar Wochen später stand ich in einem vollen Pub auf, um für Nick ein Lied zu singen. Ich sah, dass er weinte.
»Warum weinst du?«, fragte ich, als ich mich wieder hinsetzte.
»Weil du so wunderschön gesungen hast.«
»Nein, wirklich, warum?«
»Weil ich sehe, dass du jetzt wieder die Alte bist.«
Ich will nicht so tun, als hätte ich einfach vergessen können, was in meiner Vergangenheit passiert ist. Nick hatte durch die Erfahrung seiner gescheiterten Ehe auch Schaden genommen, und so war die erste Zeit unserer Beziehung vom üblichen Auf und Ab geplagt, mit dem man rechnen muss, wenn ein Paar ebenso impulsiv wie verletzlich ist. Aber wir rauften uns immer besser zusammen und wurden uns der Bedürfnisse des anderen bewusster.
Da wir noch immer in der Region Guisborough lebten, wurde viel geklatscht, und wir mussten uns oft rassistische Anspielungen und Beleidigungen anhören, aber wir wollten nicht umziehen - außer auf die Philippinen. Wir wollten nicht das Gefühl haben, dass andere Leute uns vertrieben hatten. Wir hatten einige gute Freunde, und Michael hatte sich in der Schule gut eingewöhnt.
Im August 2003 heirateten Nick und ich; die Zwillinge von John und Julie streuten Blumen. Es war meine dritte Hochzeit, dabei war ich erst dreißig Jahre alt. Der Tag war sonnig, aber ich fühlte mich trotzdem traurig, weil ich wusste, dass so viele Menschen nichts von mir hielten. Eine Limousine holte mich um halb elf ab und brachte uns zum Standesamt von Guisborough.
»Bist du aufgeregt?«, fragte Nick.
»Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Ich glaube, ich bin nur ein bisschen traurig über einiges, was die Leute über mich sagen.«
Er wirkte niedergeschlagen.
»Mit uns beiden hat das nichts zu tun«, fügte ich
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