Auserkoren
fahr schneller.« Die Bücher schwanken auf meinem Schoß.
Patrick gibt Gas und schon heben wir ab und fliegen geradewegs in den Himmel. Wir sind so schnell! Die Kader Gottes unten auf der Straße werden immer kleiner, bald sind sie klein wie Ameisen.
»Hier kriegen sie uns nie.«
»Garantiert nicht«, sagt Laura.
»Hier bist du sicher, Kyra«, sagt Patrick.
Etwas reißt mich aus dem Schlaf.
»Patrick?«
Draußen ist es windig.
Ich lausche, ob ich die Männer von den Kadern Gottes höre. Etwas klopft an mein Fenster.
»Laura?«, frage ich. »Laura?«
Ich brauche einen Augenblick, ehe ich weiß, wo ich bin.
»Laura ist nicht da«, sage ich in die Dunkelheit hinein.
Das Klopfen an meinem Fenster hört nicht auf. Und jetzt weiß ich es, ich weiß es ganz bestimmt, dass Joshua dort draußen ist. Er ist zu mir gekommen.
Hastig schlage ich die Bettdecke zurück und husche zum Fenster. Ich ziehe die Vorhänge zur Seite.
Kein Joshua, nur ein Baum. Seine Äste kratzen am Fensterbrett.
»Du hast doch gewusst, dass er es gar nicht sein kann«, sage ich.
Natürlich habe ich es gewusst, trotzdem fange ich zu weinen an. Nicht nur weil Joshua nicht da ist, sondern auch weil Laura, Margaret, Carolina nicht da sind. Auch Mariah oder Mutter Sarah oder Vater sind nicht da. Draußen vor dem Fenster wartet keine Familie auf mich.
Ich sinke wie ein Häufchen Elend auf den Boden und weine. Ich hätte nie gedacht, dass ich an einem einzigen Tag so viel weinen kann. Aber das Weinen bringt mich auch auf einen neuen Gedanken.
Ja, mein Verstand warnt mich, dass es schwer werden wird. Wie Samantha schon sagte. Es wird schrecklich sein, fernab von allem zu leben, was einem vertraut ist. Ohne die eigene Familie.
Aber denk daran, was Patrick getan hat. Und auch Joshua.
Ich bin frei.
(Kein alter Mann ist mehr da, der auf mich wartet.)
Wenn ich will, kann ich Joshua suchen. Ich kann ihn finden.
Ich bin frei.
Durch die Blätter des Baums fällt schon das erste fahle Morgenlicht ins Zimmer, als ich wieder ins Bett krieche. Und gerade als mir die Augen zufallen, merke ich, dass es die langen Zweige einer Ölweide sind, die an mein Fenster klopfen.
Carol Lynch Williams verbrachte ihre Kindheit in Florida und hat mehr als zwanzig Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht. Sie machte ihren Magister-Abschluss in Kinder- und Jugendliteratur am Vermont College und ist viermalige Gewinnerin des Utah Original Writing Competition und des Nebraska’s Golden Sower Award. Auserkoren wurde zum ALA Best Book for Young Readers und YALSA Quick Pick for Reluctant Young Adult Readers gekürt. Die Autorin lebt mit ihren sieben Töchtern in Utah.
cbt ist der Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House
Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform
1. Auflage 2010
© 2009 by Carol Lynch Williams
© 2010 für die deutschsprachige Ausgabe cbt Verlag,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel
»The Chosen One« bei St. Martin’s Press, New York
By arrangement with Books Crossing Borders, Inc.
Dieses Werk wurde vermittelt durch Interpill Media GmbH, Hamburg.
Übersetzung: Petra Koob-Pawis
Lektorat: Frauke Heithecker
he · Herstellung: AnG
eISBN : 978-3-641-04100-7
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