Ausgebremst
und Theresa mich aus dem Gefängnis heraus und arrangierten das Treffen mit Johann Berger.
Tessa
Die genauen Details, wie sie den Ausbruch eingefädelt haben, erfuhr ich erst nach und nach. Theresa erzählte mir, daß Stiedl vor Jahren einmal der Gattin eines Salzburger Polizeiarztes einen halben Bierkrug aus dem Gesicht operiert hatte. Vier Stunden hatte Stiedl operiert und am Schluß 117 Bierkrugsplitter gezählt. Die Operation sei eine der besten seiner Karriere gewesen, am Schluß habe die Frau höchstens so ausgesehen, als könne sie die Spuren einer schweren Pubertätsakne nicht ganz verbergen. Und nicht, als hätte ihr der Polizeiarzt persönlich seinen Bierkrug ins Gesicht gestellt.
Obwohl Gewalttaten normalerweise meldepflichtig sind, habe Stiedl damals beschlossen, daß man eine schwere Pubertätsakne nicht unbedingt als Gewalttat interpretieren müsse. Vor allem, da sich auch die Gattin des Polizeiarztes nach der gelungenen Operation an keine Gewalttat erinnern wollte.
Das war vor einigen Jahren, und jetzt, so erzählte mir Theresa, habe Stiedl den Salzburger Polizeiarzt an die Pubertätsakne erinnert. Und der soll einen spielsüchtigen Wiener Starchirurgen an seine Schulden erinnert haben, und der soll vor Jahren einmal Gutachter bei einem Kunstfehler gewesen sein, wo ein dreizehnjähriges Mädchen an einer Blinddarmoperation gestorben ist.
Das Gutachten habe zwar damals den behandelnden Arzt soweit belastet, daß er nicht Chirurg bleiben konnte, habe aber doch die schlimmste Zeugenaussage der OP-Schwester unter den Teppich gekehrt, so daß der Beschuldigte zumindest als Gefängnisarzt weiterarbeiten konnte. Und jetzt soll der Gutachter den Gefängnisarzt an die kleine Gefälligkeit erinnert haben.
Das Vergehen, zu dem der Gefängnisarzt überredet werden mußte, war ohnehin nicht allzu schlimm. Es war kein Ausbruch geplant, sondern nur ein Ausflug für einen einzigen Tag. Es war nur ein Ausgang für den 9. Juli 1997. Ich mußte mir in der Nacht davor lediglich die Pulsadern aufritzen, legte vorsichtshalber noch einen Abschiedsbrief dazu, und ein paar Minuten später lag ich schon in der Krankenstation.
Als ich den Gefängnisarzt zum ersten Mal sah, wußte ich, warum ihm das dreizehnjährige Mädchen bei der Blinddarmoperation gestorben war. Er zitterte am ganz Leib, seine Augen waren in Alkohol eingelegt, und man konnte kaum erkennen, wo die Augen endeten und wo Ringe unter ihnen begannen.
Er packte mich in seinen Range Rover, und wir verließen das Hochsicherheitsgefängnis völlig unbehelligt. Wenn ich daran zurückdenke, bekomme ich immer noch eine Gänsehaut. Allerdings weniger wegen der Gefahr, entdeckt zu werden, als wegen der Fahrweise des Doktors. Gott sei Dank mußte ich nur von Stein bis Krems mit ihm fahren.
Dort warteten schon Stiedl und Theresa mit ihrem BMW auf mich, mit dem wir nach Salzburg fahren wollten, um Johann Berger zu treffen. Bevor ich mich auf die Rückbank setzen konnte, umarmte Theresa mich noch so herzlich, wie ich es erwartet hatte. Nämlich unangemessen herzlich. Das erste, was mir in der Freiheit auffiel, war, daß Stiedl sie Tessa nannte.
Robin
Wir waren zwar schon eine Stunde auf der Autobahn, aber unserem Ziel noch nicht viel näher gekommen, da Stiedl seinen BMW so schonend fuhr wie Niki Lauda seinen Ferrari in der Saison 1977.
Die getragene Fahrweise paßte zu der Aufmachung der beiden. Sie hatten sich herausgeputzt, als gingen sie auf eine feine Gesellschaft. Und in gewisser Weise war ja das bevorstehende Treffen für sie so etwas wie der Eintritt in die feine Gesellschaft. Der Eintritt auf die Titelseiten der Klatschmagazine. Als die Retter des Rennfahrervaters, zu dem wir unterwegs waren.
Stiedl erzählte mir stolz, daß Johann Berger selbst noch gar nichts von seinem Glück wußte. Stiedl hatte nur über die Anwälte gearbeitet. Ich weiß nicht, ob er aus Angst vor der Mafia so vorsichtig vorging oder nur aus Angst davor, die Presse könnte ihm den Fall noch vor der Nase wegschnappen. Ein Journalist war zwar in die Vorbereitungen involviert. Er war aber ein Mann des Vertrauens, weil Stiedl ihm schon mehrmals die Tränensäcke gestutzt hatte.
Wir hatten so viel Zeit, daß wir sogar bei der Raststätte in Haag anhielten. Großzügig luden die beiden mich auf mein erstes Mahl in Freiheit ein.
«Eine umgekehrte Henkersmahlzeit», sagte ich, als die Suppe serviert wurde.
Stiedl schaute etwas betreten.
Tessa jubilierte: «Du wirst sehen, zusammen mit dem
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