Ausgebremst
Johann Berger werden wir jetzt alles aufklären, und du bist endgültig in Freiheit!»
«Was macht Johann Berger heute eigentlich in Salzburg?» fragte ich.
«Na, der hat seinen Rechtsanwalt in Salzburg», hörte ich Stiedl wieder vollmundig meine Briefe zitieren. «Dem ist während seines Gefängnisaufenthalts sein Betrieb ja völlig entglitten. Ein wilder Machtkampf zwischen Vater und Tochter!»
«Furchtbar!» schüttelte sich Tessa, daß eine edle Parfumwolke aufstieg, die in sonderbarem Kontrast zu ihrer angeekelten Äußerung stand.
«Der hat volle zwei Jahre gebraucht, um die Macht wieder an sich zu reißen», erklärte Stiedl. «Und heute will er mit der Einsetzung des neuen Geschäftsführers endgültig wieder das Ruder übernehmen. Deshalb muß er zum Anwalt, er muß die Verträge unterzeichnen.»
«Ich verstehe ja nicht, daß er die paar Kilometer von Wörgl nach Salzburg nicht mit dem Auto fahren kann», sagte Tessa.
«Nur daß zwischen Wörgl und Salzburg das deutsche Eck liegt», sagte Stiedl hämisch, «wo sie ihn an der Grenze sofort verhaften würden. Er gilt ja in Deutschland immer noch als Flüchtling!»
Sie hackten noch eine Zeitlang aufeinander herum, aber ich litt nicht mehr unter der Atmosphäre. Im Gegenteil. Es war letztlich erlösend, wie wenig ich versäumt hatte, seitdem die beiden mich vor zwanzig Jahren ausgebremst hatten.
Nach dem Essen fuhren wir weiter, wir hatten immer noch viel Zeit. Das Treffen in der Kanzlei eines Salzburger Anwalts würde erst in drei Stunden stattfinden.
Wenige Minuten nachdem wir die Raststation in Haag verlassen hatten, hörten wir im Autoradio folgende Nachricht:
«Johann Berger, der Vater des Rennfahrers Gerhard Berger, kam heute bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Der Tiroler Unternehmer, der als erfahrener Pilot galt, war auf dem Weg zu einem Treffen mit Geschäftspartnern. Nur zwei Minuten nach
dem Start vom kleinen Flughafen Kufstein-Langenkamp stürzte die einmotorige Robin ab. Johann Berger war der einzige Insasse.»
8
Ich
Wir waren ungefähr fünfzig Kilometer vor Salzburg, als wir die Nachricht vom Absturz Johann Bergers hörten.
Als wir die Salzburger Nordabfahrt erreichten, hatte immer noch keiner von uns ein Wort gesagt. Allerdings war auch nicht allzuviel Zeit vergangen, denn diese fünfzig Kilometer war Stiedl fast doppelt so schnell gefahren wie die ersten zweihundert Kilometer.
Er fuhr aber nicht von der Autobahn ab, auch bei keiner der anderen Abfahrten. Das wunderte mich nicht. Was hätten wir jetzt noch in Salzburg tun sollen? Stiedl fuhr auf die Staatsgrenze nach Deutschland zu. Offenbar hatte er in seinem Schock völlig vergessen, daß er einen Ausbrecher an Bord hatte.
Die Zöllner winkten uns aber problemlos durch, und eine Viertelstunde später kamen wir bei der Schönheitsklinik in Reichenhall an.
In diesem Moment herrschte ein stummes Einverständnis zwischen uns dreien, wie es wohl auch damals vor zwanzig Jahren gewesen sein muß.
Stiedl fragte nicht lange, ob ich einverstanden war. Seine Entschlossenheit grenzte schon an Panik.
Um ihn zu beruhigen, sagte ich: «Vielleicht war es ja nur ein Zufall, daß auch Johann Berger abgestürzt ist. Vielleicht habe ich ja Bruno Graziano falsch verdächtigt. Vielleicht hat der Taxifahrer nur zufällig wie der Londoner Taxifahrer ausgesehen. Vielleicht hat doch der TEXUNO-Boß meine drei Kollegen beseitigt, weil sie seine Drogengeschäfte störten. Vielleicht hatten die Polizei und das Gericht doch recht.»
«Vielleicht, vielleicht, vielleicht!» antwortete Stiedl gereizt.
Vielleicht bin ich ein Schwede, hätte der Finne gesagt.
«Aber wenn es nicht so ist», sagte Stiedl, «ist dein Leben in Stein keinen Schilling mehr wert.»
Stiedl wußte, daß er mich unmöglich ins Gefängnis zurückschicken konnte, wenn er und Theresa nicht an meinem Tod schuld sein wollten. Und wie ich später herausfand, fühlten sie sich ja schon für meine Lebensweise schuldig. Mein Wohnwagendasein hatten sie niemals als vollwertiges Leben akzeptiert.
Ich wußte, was Stiedl vorhatte, auch ich betrachtete es als die einzige Möglichkeit, mein Leben zu retten.
Stiedl wurde erst wieder ruhiger, als er mit mir an seinem Computer saß. Langsam gewann die professionelle Konzentration in ihm wieder die Oberhand. Er besprach mit mir die Möglichkeiten, mein Gesicht so zu verändern, daß ich unbehelligt von den Behörden und Cockpitverteilern eine völlig neue Existenz beginnen konnte.
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