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Ausgebremst

Ausgebremst

Titel: Ausgebremst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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dreihundert Stundenkilometern die Gerade entlangkam. Der Streckenposten war auf der Stelle tot. Der Feuerlöscher schlug Tom Pryce den Kopf ab. Der Shadow mit dem kopflosen Tom Pryce raste mit fast dreihundert Stundenkilometern die Gerade entlang, bis er in den Leitschienen zerbröselte. Der Fahrer, den mir Bruno geschickt hatte, stand immer noch da. Mein Kopf war immer noch da und bemühte sich, die Kontrolle über meine Knie wiederzugewinnen. Mein Kopf bemühte sich, die Kontrolle über meinen Schließmuskel nicht zu verlieren. Mein Kopf bemühte sich, meinem Körper irgendeine Bewegung abzuringen, die halbwegs beiläufig wirken könnte. Die Summe dieser Versuche, mich beiläufig und unverfänglich zu bewegen, führte dazu, daß ich mich in das Taxi setzte. Obwohl ich von der ersten Sekunde an sicher war, daß ich jenen angeblichen Londoner Taxifahrer vor mir hatte, der vor einigen Jahren mit seiner Aussage Bertrand Gachot ins Gefängnis gebracht hatte. Jenen Taxifahrer, der das Jordan-Cockpit leergeräumt hatte, in dem Michael Schumacher sein glanzvolles Debüt feierte. Jenen Taxifahrer, der im Auftrag von Bruno Graziano den Belgier Bertrand Gachot ins Gefängnis und mich zu einem Sportflugzeug bringen sollte. Ich setzte mich in das Taxi, obwohl mir schon in der ersten Sekunde sonnenklar war, daß dieser Mann mich zu einem Flugzeug bringen wollte, das wenig später abstürzen würde. Obwohl ich sofort begriffen hatte, daß Bruno Graziano und sein ermordeter Cousin Liberante die Männer sein mußten, von denen Mr. Weeser im Gesundheitshotel gesprochen hatte. Die Cockpitverteiler, deren Piloten nach und nach abgestürzt waren. Bruno hatte mich ja erst zu dem Flug eingeladen, nachdem ich ihm in dem ungarischen Restaurant die Geschichte von Mr. Weeser erzählt hatte. Bruno mußte glauben, daß ich schon in Budapest alle Zusammenhänge durchschaute. Nicht erst jetzt, beim Anblick des Gachot-Taxifahrers: Daß Bruno es war, der den unzuverlässigen Liberante ermordet hatte, nachdem er die Geschichte mit den Flugzeugabstürzen ausgeplaudert hatte. Bruno war es schon längst ein Dorn im Auge, daß Liberante sich mit den Drogenschmugglern zusammentat, statt um die verlorene Position als Cockpitverteiler zu kämpfen. Aber gefährlich wurde Liberante erst, als er begann, die Geschichte mit den Flugzeugabstürzen auszuplaudern. Gefährlich wurden Steve und der Finne erst, als sie begannen, die Ursachen für den Tod Liberantes auszukundschaften. Erst jetzt begriff ich, daß Bruno es war, der Steve und den Finnen beseitigt hatte, weil sie unbedingt herausfinden wollten, wer der Mörder Liberantes war. Für Bruno mußten ja die Geschichten über Niki Lauda und Bertrand Gachot so geklungen haben, als wären ihm Steve und der Finne schon auf der Spur. Als wüßten die beiden schon, daß Bruno es war, der Bertrand Gachot ins Gefängnis gebracht hatte, um das Jordan-Cockpit für irgendeinen zukünftigen italienischen Weltmeister freizuräumen. Als wüßten sie, daß Liberante von Brunos fruchtlosen Comebackversuchen nichts mehr wissen wollte, seit Bruno sich trotz seiner aufwendigen Gachot-Aktion das Jordan-Cockpit von Mercedes vor der Nase hatte wegschnappen lassen. So daß Bruno letzten Endes nur Liberantes sauer verdientes Drogengeld verpulvert hatte und seinen Cousin damit um den Clou-Liner von Niesmann & Neff brachte! Und ich hatte ausgerechnet Bruno immer über meine Nachforschungen auf dem laufenden gehalten, schoß es mir beim Anblick des Gachot-Taxifahrers durch den Kopf. Aber gefährlich wurde ich erst, seit ich von den Cockpitverteilern erfahren hatte. Ich bemühte mich, irgendwas Beiläufiges zu dem Fahrer zu sagen, um mir nicht anmerken zu lassen, daß ich ihn erkannt hatte. Daß ich wußte, daß er mich zu einem Flugzeug brachte, das abstürzen würde. Ich zwang mich, meinen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen. Ich wußte, daß mein Leben jetzt davon abhing, meine Bewegungen zu kontrollieren. Ich saß auf dem bequemen Mercedes-Rücksitz und zwang mich, meine Hände zu Fäusten zu ballen. Ich zwang mich, meine Finger auszustrecken, bis sie schmerzten, ballte sie wieder zusammen, streckte sie aus, bis ich wieder Leben in ihnen spürte. Ich drehte meine Handgelenke, ich streckte die Arme durch, massierte sie, so wie man versucht, einen Erfrierenden am Leben zu halten. Nach einigen Minuten fühlte ich langsam wieder Leben in meine Arme und Hände zurückkehren. Dann beugte ich mich vor und legte dem Taxifahrer, der

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