Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
im Preispoker des deutschen Einzelhandels. Der gigantische Getränkekonzern setzt im schrumpfenden deutschen Biermarkt nicht auf nachhaltigen Erfolg und Qualitätsführerschaft, sondern pusht kurzfristige Ausstoßerfolge.
Beck’s wurde als Marke heruntergewirtschaftet und dem Handel als Opfer angeboten, um mit Kampfpreisen von unter 10 Euro pro Kasten die Kunden in die Läden zu locken. Bier wird via Tiefstpreis als strategisches Lockmittel eingesetzt, auch wenn damit kein Gewinn mehr zu machen ist. Was zählt, ist, dass die Leute in die Supermärkte kommen und dabei neben dem Bier noch anderes mitnehmen.
Auf der Strecke blieb dabei die Marke: Mit diesem Spiel wurde ein gigantischer Wert vernichtet, denn dieses Herunterwirtschaften einer Marke ist wie ein Kahlschlag in einem mühsam über Jahrhunderte gepflegten Wald. Wenn die Marke erst einmal beschädigt wurde, wenn der kurzfristige Profit die Oberhand über die langfristige Pflege und den nachhaltigen Aufbau der Marke gewonnen hat, dann gibt es kein Zurück mehr. Die Marke ist kaputt, aus und erledigt, ein für allemal. Die Marke war aber nicht nur den Menschen, die in der Brauerei gearbeitet haben, sondern auch den Konsumenten einmal eine Menge wert: Sie gab ihren Kunden Sicherheit, Orientierung und nicht zuletzt ein ganz besonderes Lebensgefühl.
Mir als Marketingmann tut so etwas in der Seele weh, und ich erkenne darin auch eine unglaubliche Kapitalvernichtung, für die das Management von ABInbev von den Eigentümern eigentlich komplett gefeuert gehört. Nur leider ticken die Eigentümer, die Aktionäre nämlich, genau so: Was zählt schon eine 130 Jahre alte stolze Eiche des Marketings? Weg damit, Holz verbrannt, nächsten Baum fällen.
Natürlich wissen auch die ABInbev-Manager, dass die Zerstörung einer Marke langfristig Geld und Werte vernichtet. Wahrscheinlich deshalb beschäftigen sie sich intensiv mit der Reduktion der Kosten. Schon bald wurden die Bremer Pferdegespanne abgeschafft: kosten nur Geld. Die Kostenkiller von ABInbev haben seither einiges angerichtet, aber im Jahr 2010 übertrafen sie sich selbst: Sie stellten den kostenintensiven Gastronomie-Außendienst auf Telefonverkauf um. So, und an dieser Stelle fing die ganze Branche, die sich zuvor noch verwundert die Augen gerieben hatte, was ABInbev da mit dem guten alten Beck’s angestellt hatte, lauthals an zu lachen. Dazu müssen Sie wissen, dass Sie als Brauerei einen Wirt nicht mit dem Telefon abspeisen können. Bier, und erst recht Bier in der Gastronomie, das ist People’s Business. Da geht man hin, kennt sich möglichst seit Jahren, haut sich auf die Schulter und klönt über die gute alte Zeit. Ein Geschäft, das rein über Beziehungen läuft, reines Männergeschäft. Und die Wirte sollen nun plötzlich einer weiblichen, anonymen Telefonstimme aus dem Callcenter Bier abkaufen, nur weil ein Controller das so beschlossen hat?
Die anderen Brauereien haben ihre Vertreter in die Wirtschaften geschickt, und die mussten dort nur sagen: »Kauf bei uns. Beck’s kümmert sich nicht mehr um dich. Du bist denen nicht mal mehr ein persönliches Gespräch wert.« Und das war die Wahrheit. Ruckzuck war ABInbev viele Gastronomen los. Und die Wirte sind das Fundament einer Biermarke. Den auf schnelle Rendite gepolten Managern war einfach nicht klar, was sie da tun. Sie hatten Ahnung von Kennzahlen und Kostenoptimierung, von Absatzsicherung und von Push-Marketing, aber sie hatten keine Ahnung vom Biergeschäft. Ihren Bonus haben sie trotzdem bekommen, da können Sie sicher sein.
Die Geschichte von Beck’s ist ein Lehrstück: So höhlt man im Preiskampf Marken aus und vernichtet sie. Jeder Hersteller und jeder Händler muss sich gut überlegen, ob es wirklich richtig ist, dem unglaublichen Absatzdruck nachzugeben und diesen Weg des Tiefpreises einzuschlagen.
Wer diesen Weg geht, egal ob in der Lebensmittelbranche, bei Möbeln, Bekleidung, Elektronik oder irgendeiner anderen Konsumgüterbranche, hat nur eine Chance: wachsen, wachsen, wachsen, um die niedrigen Margen wegstecken zu können. Und außerdem muss er mit der Beschaffung in die Welt hinaus, um irgendwo am Mekong oder am Jangtse den billigeren Einkaufspreis zu finden. Oder er muss Produktionsmethoden einsetzen, die unseren ethischen Standards widersprechen. Wie soll denn bitte ein Stück Fleisch produziert werden, dass Rewe für 2,88 Euro pro Kilo verkauft? Wenn das der Zielpreis ist, um im Lebensmittelhandel Erfolg zu haben, dann muss
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