Ich und Karl der Große: Das Leben des Höflings Einhard (German Edition)
VORWORT
Es gibt nicht viele Persönlichkeiten des 9. Jahrhunderts, mit denen ich gern einmal bei einem Becher Milchkaffee meine Zeit verplauderte. Mit Einhard aber ginge ich sofort ins Café. Er könnte mir so viel erzählen: über den großen Karl, die genaue Lage seines Grabes und seine famose Abneigung gegen die Kaiserkrone; über Karls Sohn Ludwig und dessen Abscheu gegen lautes Lachen; über das Treiben am Aachener Hof und die lateinischen Klassiker, auch über Astronomie und Arithmetik, Kunst und Architektur, die Verwaltung von Klöstern und Stiften, Reliquien, Wunder, die Mühen des Reisens im 9. Jahrhundert …
Was Einhard, beim Milchkaffee plaudernd, über dieses Buch hier zu sagen hätte, will ich mir lieber gar nicht ausmalen. Vielleicht würde er fragen, warum ich über ihn, den Sünder, geschrieben habe – statt in Seligenstadt für seine und seiner Emma Seele zu beten? Vielleicht würde er beklagen, dass ich in der Volkssprache statt auf Latein über ihn berichte? Wahrscheinlich würde er es eine barbarische Zeitverschwendung nennen, dass ich seine Karlsbiographie in Teilen ins Deutsche übertragen habe. Und möglicherweise wäre er trotz alledem, ganz heimlich, ein wenig geschmeichelt.
Sicher bin ich nur über eines: Einhard fände manches in diesem Buch falsch datiert, vieles Wichtige ausgelassen – und hier und da auch seine Interessen und Motive gröblich missverstanden. Alle diese Fehler sind meine. Dass es nicht noch mehr sind, dafür danke ich den Tübinger Mitarbeitern: Sie alle haben geduldig (oder produktiv widersprechend) meine Einhard-Exkurse in der Mensa ertragen; Carola Föller, Annette Grabowsky, Thomas Kohl und Andreas Öffner haben überdies frühere Fassungen des Buches gelesen und verbessert. Andreas Öffner verdanke ich die Beschaffung und Herstellung der Abbildungen, Luise Nöllemeyer und Monika Wenzhaben mir sehr bei der Endkorrektur und dem Apparat geholfen. Petra Lang hat meine Übersetzung der Karlsvita korrigiert. Die Register haben Luise Nöllemeyer und Andreas Öffner erstellt. Auch für all dies meinen herzlichen Dank!
Viele Ideen und etliche Deutungen im Detail verdanke ich zwei Forschungsverbünden: einerseits dem Tübinger Sonderforschungsbereich 923 »Bedrohte Ordnungen«, andererseits dem von ANR und DFG gemeinsam geförderten Projekt »Hludowicus«, das Philippe Depreux und Stefan Esders geleitet haben. Ohne die vielen Gespräche und Diskussionen, gerade auch im informellen Rahmen, die diese Verbünde ermöglicht haben, sähe das Buch sehr anders aus. Auch dafür sei allen Beteiligten gedankt!
Schließlich aber habe ich dem Verlag Klett-Cotta zu danken: Denn ohne die aufmunternd-fordernde Begleitung erst durch Theresa Löwe-Bahners, dann durch Christoph Selzer hätte ich dieses Buch nicht schreiben können.
Tübingen, den 2. Juni 2013
Steffen Patzold
CONVENTUS
Das Treffen von Seligenstadt
E s gab ziemlich viele merkwürdige Vorzeichen des nahenden Endes, so dass nicht bloß andere, sondern auch er selbst es drohen fühlte.
Einhard, Vita Karoli, c. 32
NATIVITAS ATQUE INFANTIA
Vom Maingau nach Aachen
Ü ber seine Geburt und Kindheit und auch über seine Jugendjahre zu schreiben, halte ich für unpassend; denn darüber findet sich weder irgendwo klar etwas Schriftliches dargelegt, noch ist heute jemand zu finden, der behaupten könnte, davon Kenntnis zu haben. Ich will deshalb weglassen, was unbekannt ist, und gleich übergehen zu den Taten und dem Charakter und den übrigen Eigenheiten seines Lebens, die es zu erklären und zu schildern gilt – und zwar dergestalt, dass ich zuerst von seinen Taten daheim und im Krieg, dann von seinem Charakter und seinen Neigungen, danach von seiner Regierung und seinem Ende erzähle und auf diese Weise nichts von dem übergehe, was zu wissen würdig und notwendig ist.
Sein Körper war ansehnlich und stark, seine Größe stach heraus, ohne doch das rechte Maß zu überschreiten (denn bekanntlich betrug seine Länge sieben seiner Füße). Sein Haupt oben rund, seine Augen gewaltig und lebhaft, die Nase ein bisschen über das Ebenmaß hinausgehend, sein ergrautes Haar herrlich, sein Gesicht freundlich und heiter: So verschaffte ihm seine Gestalt – ob er saß, ob er stand – viel Autorität und Würde. Sein Nacken freilich schien wulstig und ziemlich kurz und sein Bauch einigermaßen vorgewölbt, doch verdeckte die Ausgewogenheit seiner übrigen Gliedmaßen dies.
Einhard, Vita Karoli, c. 4 und 22
D ie Sachsen nämlich
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