Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
einige Jahre in New York unter Vertrag, ich bin über Nacht eingesprungen und hab das Lokal gepachtet. Kennen Sie Manninger?«
Ich nicke. »Nicht besonders gut, wir sind uns ab und zu über den Weg gelaufen.«
»Wir haben vor Jahren gemeinsam gearbeitet.«
»Sie waren auch im Chez Trois?«
»Nein, er war zuvor im Royal Grand, ich hab dort gelernt und bin geblieben, bis ich vor drei Monaten dieses Angebot bekommen hab.«
Ich habe wohl etwas den Mund verzogen. Das Royal Grand ist ein protziger Hotelklotz der Fünfsternekategorie. Ich weiß zwar, dass man in seinem Restaurant sehr gut essen kann, aber Hotelrestaurants sind einfach nicht mein Fall.
Sie winkt dem Alten, fragt uns, ob sie für ein Glas Wein an unserem Tisch Platz nehmen darf. »Billy Winter ist mein Name, eigentlich Sibylle, aber das war in der Küche allen zu lang. Entschuldigen Sie, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Manchmal glaub ich, ich heiße Apfelbaum.«
»Ein schöner Name«, lächelt Oskar.
»Ja. Manningers Tante hat tatsächlich so geheißen. Von ihr hat er das Lokal geerbt.«
Eine halbe Stunde später wissen wir, dass auch der Alte, dessen Name Franz Haberzettl ist, der aber von allen nur Onkel Franz gerufen wird, eine Art Erbstück ist. Der Kellner von Manningers Tante, von Manninger, und dann von Billy Winter übernommen mit dem Versprechen, ihn, solange er will und kann, arbeiten zu lassen. Mir schwirrt von den komplizierten Familien- und Pachtverhältnissen der Kopf, vielleicht liegt es auch daran, dass uns die Wirtin auf ein weiteres Glas Rotwein eingeladen hat.
Wir loben ihre Küche und das gesamte Lokal, man merkt, dass sie sich darüber freut.
»Ich hab noch nie ein eigenes Haus geführt, das heißt, zumindest nicht offiziell. Ich war Souschefin im Royal Grand, der Küchenchef war in den letzten Jahren allerdings nur selten da. Physisch meistens schon, aber … Na ja, Alkoholprobleme. Das gibt es bei uns häufig. Der Stress. Ich hätte gute Chancen gehabt, nach ihm Küchenchefin zu werden. Aber dann kam Manninger mit seinem Angebot. Und eigentlich wollte ich immer schon ein eigenes Gasthaus.« Sie sieht sich um.
»Es ist schön«, sage ich.
»Ja«, sagt sie, aber es schwingt etwas Zweifel mit.
Wegen ihrer Küche braucht sie sich keine Sorgen zu machen. Auch die Weine sind hervorragend.
»Allein ist es nicht immer ganz leicht«, murmelt Billy Winter und hält inne. »Entschuldigen Sie, ich will Sie nicht anweinen. Ich muss ohnehin weitertun. Wenn ich nicht dahinter bin, dann beginnen meine lieben Mitarbeiter gerne zu trödeln.« Schon ist sie aufgesprungen. Sitzfleisch hat diese Frau keines. Vielleicht ist sie deswegen so klein und dünn. Oder verhalten sich Ursache und Wirkung genau umgekehrt? Ich jedenfalls mit über einssiebzig Größe und ein Paar Kilo Übergewicht kann noch gut sitzen bleiben.
Eine Viertelstunde später weiß ich, dass sich Oskars großer deutscher Wirtschaftsprozess ausgeweitet hat. Das ist gut für sein Honorar, aber schlecht für seine Zeit. Wie aus dem Nichts erscheint Billy Winter wieder im Garten. Sie verabschiedet vier Gäste, setzt sich dann erneut zu uns, aber wirkt wie auf der Flucht.
»Mahmet darf nicht vergessen, die Mistkübel an den Straßenrand zu stellen«, meint sie und schreckt dann auf. »Ich bin unmöglich, aber manchmal hab ich einfach zu viel im Kopf. Ich will, dass alles gut geht. Manninger war einer der Besten, und er hat einen hervorragenden Namen. Eine ehemalige Souschefin kennt niemand.«
»Die Leute aus der Branche doch sicher«, tröste ich.
»Ja, die schon. Aber ob einen die unterstützen? Ich will nicht die alte Mitleidsnummer spielen, aber als Frau hat man es in der Gastronomie nicht gerade leicht. Ein Wirt ist ein Wirt. Und ein Wirt ohne Frau ist einer, der Zeit hat, Karten zu spielen. Eine Wirtin ohne Mann ist bestenfalls ein Operettenklischee. Na ja. Vielleicht bin ich auch nur etwas durcheinander, weil Anfang der Woche etwas Unerfreuliches geschehen ist.«
Ich nippe an meinem Rotwein.
Billy Winter sieht sich um, entdeckt, dass der Kellner einige Gläser am Nachbartisch stehen gelassen hat, und springt wieder auf.
»Was?«, frage ich, als sie zurückkommt.
»Man hat mir die Leitungen der Kühlmaschinen durchgeschnitten.«
»Das kann wohl nur einer Ihrer Mitarbeiter …«, mutmaßt Oskar.
Die Wirtin schüttelt energisch den Kopf. »Die neuen Kühlanlagen sind in einem Zubau untergebracht, jeder kann von außen dazu. Ein Schloss hat es bis jetzt nicht
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