Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
sieht wie meistens großartig aus. Wie der Held eines Hollywoodfilms, der legendäre ältere Reporter, der in Ausübung seiner Pflicht zum Krüppel wird, aber dennoch, klug und zynisch geworden, weiterhin Erfolg hat. Vor allem bei Frauen. Die Realität sieht freilich anders aus. Droch ist viel zu distanziert, um Frauen bei ihm Glück haben zu lassen. Aus uns beiden wäre vor Jahren beinahe so etwas wie ein Paar geworden, ob das mein Glück gewesen wäre, ob das sein Glück gewesen wäre? Ich glaube, weder noch. Auf alle Fälle bin ich eine der ganz wenigen Vertrauten Drochs, und darauf bin ich stolz. Er kann zwar ein erzkonservativer, spöttischer, bösartiger Zyniker sein, aber abgesehen davon, dass er sehr attraktiv ist, erweist er sich bisweilen auch als äußerst witzig, unangepasst, ganz selten sogar als charmant und weich. Es ist die Mischung, die ich mag. Jedenfalls meistens.
Außerdem kennt so gut wie niemand außer mir die wahre Geschichte seines Unfalls. Sie hat, wie in den zahlreichen Legenden um ihn behauptet wird, zwar tatsächlich mit dem Vietnamkrieg zu tun. Die Querschnittlähmung hat er sich allerdings nicht bei einem Reportageeinsatz im Kriegsgebiet zugezogen, sondern als er besoffen kopfüber in einen Hotelswimmingpool gesprungen ist. Im Pool war aus Kriegsgründen kein Wasser mehr.
Droch ist einer der wenigen ernst zu nehmenden und anerkannten Journalisten beim »Magazin«. Er leitet das politische Ressort, und vor seinen ebenso bissigen wie treffenden Kommentaren fürchten sich Politikerinnen und Politiker aller Parteien.
Droch lädt mich zum Essen ein. Er hat noch eine Eigenschaft: Er ist sensibel, auch wenn er es nicht gerne zugibt. Und jetzt – beim Türken ums Eck – will er herausfinden, warum ich seit Tagen schlecht drauf bin.
Zwei Stunden und zwei Dönerkebabs später überlegt er, mich »trotz allem« in die politische Redaktion zu nehmen. Politik nervt mich. Warum glauben Männer, die man mag, einen nur in ihrem Reich retten zu können? Die Sache mit der Reiseredaktion sieht Droch ähnlich wie ich. Klingt gut, ist in der Praxis aber gar nicht gut. Als ich ihm vom Apfelbaum erzähle, verzieht er spöttisch die Lippen. Er gibt vor, feinere Küche nicht zu mögen. Schnitzel, Döner beim Türken, Würstel beim Würstelstand, das seien ehrliche Sachen. Auf das Getue rund um die Feinschmeckerei könne er gern verzichten. Dabei weiß ich, dass er viel von gutem Essen versteht. Der Apfelbaum würde ihm sicher gefallen. Unnötiges Getue gibt es dort ohnehin nicht. Plötzlich runzelt er die Stirn, überlegt. »Apfelbaum, da ist heute etwas in einer Agenturmeldung gestanden.«
»Wahrscheinlich geben sie offiziell bekannt, dass Billy Winter das Lokal von Manninger übernommen hat. Sie hat mir irgend so etwas erzählt.«
»Nein, das war es nicht. Es war eher – böse.«
»Eine Gastronomiekritik?«
»Seit wann gibt es so etwas in den Presseagenturen?«
Keine Ahnung.
»Nein, warte einmal … Genau. Eine Chronikgeschichte, dass in einem Sternewirtshaus außerhalb von Wien heute Mittag das ganze Essen verdorben war – offenbar hat die Köchin Salz mit Zucker verwechselt. Und dann stand noch etwas vom armen Manninger, der in New York sitzt und nicht weiß, was mit seinem Wirtshaus geschieht.«
»Du bist dir sicher? Manninger? Apfelbaum?«
»Sage ich es sonst?«
Ich lasse nicht zu, dass Droch noch die süßen, klebrigen türkischen Nachspeisen in sich hineinstopft, wickle sie in eine Serviette, packe diese in sein Netz am Rollstuhl, und wir starten Richtung Redaktion. Droch protestiert mehr der Form halber, er ist zumindest halb so neugierig wie ich. Und sei es nur, um mich mit meinem neuen Lieblingslokal aufziehen zu können.
Die Agenturmeldung am Bildschirm, krame ich nach der Visitenkarte von Billy Winter. Droch hat beinahe wortgetreu wiedergegeben, was hier zu lesen steht. Die Meldung stammt vom Niederösterreichkorrespondenten der Agentur. Noch nie etwas von diesem Typen gehört. Aber dass Billy Winter Salz und Zucker verwechselt, halte ich für ausgeschlossen.
Ich bekomme Onkel Franz an den Apparat. Er schimpft wie ein Rohrspatz. Bevor ich noch etwas sagen kann, faucht er: »Sie wollen auch stornieren, nur zu, bitte. Wir kriegen andere Gäste. Wenn Sie glauben, dass unsere Chefin wirklich Salz und Zucker durcheinander bringt, dann gehen Sie lieber woandershin.«
»Stop! Ich will nicht stornieren. Ich will Ihre Chefin sprechen.«
Stille in der Leitung. Dann ein misstrauisches
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