Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgelöscht

Ausgelöscht

Titel: Ausgelöscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
Vom Netzwerk:
nach einem Ausweichmanöver. Leute werden rot, wenn eines ihrer innersten Geheimnisse enthüllt wird. Etwas, das in ihrer Seele wurzelt. Der Name eines Liebhabers. Eine sexuelle Vorliebe. Selbst eine unausgesprochene persönliche Ambition. Und es sah ganz danach aus, dass Grace in ihrem Innersten den Drang verspürte, jemandem etwas anzutun. Diese Tatsache – mehr noch als ihre eilfertige Erklärung, dass sie Clevenger im Fernsehen über den Highway-Killer habe sprechen sehen und ihr seine ganze Erscheinung, Jeans, schwarzer Rollkragenpullover und kahl geschorener Schädel, gefallen habe – war wohl der eigentliche Grund dafür, dass sie sich von einem forensischen Psychiater mit der Gabe, sich in Mörder hineinzuversetzen, therapieren lassen wollte.
    »Sie können es mir ruhig sagen«, hakte Clevenger nach.
    »Ich muss gehen«, erklärte Grace und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ich schwöre Ihnen: Ich bin für niemanden eine Gefahr, mich selbst eingeschlossen. Derlei Gedanken sind mir noch nie gekommen.«
    Das war das, was Psychiater einen
Contract for Safety
nennen, eine Art Sicherheitsversprechen, die Worte, die ein potenziell gefährlicher und gefährdeter Patient aussprechen muss, um einer Zwangseinweisung zu entgehen – um nicht in die geschlossene Psychiatrie zu wandern. Clevenger fragte sich, ob Grace sich vielleicht besser mit den psychiatrischen Gepflogenheiten auskannte, als sie vorgab. »Ich muss Sie rundheraus fragen: Haben Sie die Absicht, Ihrem Mann etwas anzutun?«
    »Habe ich … Das ist ja lächerlich.« Sie starrte ihn an.
    Er wich ihrem Blick nicht aus. »Gut.«
    Sie stand auf und strich mit den Fingerspitzen über die Goldknöpfe an ihrer schwarzen Chanel-Jacke. »Ich rufe Sie in den nächsten Tagen an, wegen eines Termins, falls Sie etwas frei haben.«
    Clevenger blieb sitzen. Er wollte klarstellen, dass es einzig und allein Graces Entscheidung war, nicht tiefer vorzudringen. Sie würde ihm den Rücken zukehren müssen. Und damit der Wahrheit. »Wir haben noch zehn Minuten«, sagte er.
    Sie stand einen Moment lang da und sah unbehaglich drein, so als könnte Clevengers Schweigen sie vielleicht doch verleiten, sich wieder hinzusetzen. Aber zuletzt wandte sie sich abrupt um und ging.
    Clevenger beobachtete vom Fenster aus, wie sie zu ihrem Wagen ging, einem großen, blauen BMW mit getönten Scheiben. Sie wühlte in ihrer Handtasche, schüttelte sie aufgebracht, griff abermals hinein. Tränen liefen ihr über die Wangen. Schließlich fand sie den Schlüssel, riss die Wagentür auf, stieg ein und schlug die Tür hinter sich zu.
    »Kriegt sie ihr Geld zurück?«, fragte North Anderson von der Tür zu Clevengers Büro aus.
    Clevenger drehte sich um.
    Anderson war seit zwei Jahren Clevengers Geschäftspartner bei
Boston Forensics
. Er war ein ehemaliger Cop aus Baltimore, der in die Privatdetektivbranche gewechselt hatte, ein Schwarzer, der ein Jahrzehnt jünger als seine fünfundvierzig Jahre aussah, wahrscheinlich, weil er ein besessener Gewichtheber war – drei Stunden täglich. Es gab an seinem ganzen Körper nicht ein Gramm Fett. Der einzige Hinweis auf sein früheres hartes Leben waren die schartige Narbe über dem rechten Auge und das leichte Nachziehen seines linken Beins, Ersteres ein Andenken von einem messerschwingenden Verdächtigen, Letzteres ein Andenken von einem Verdächtigen mit einer .45er. Beide hatten bäuchlings auf dem Pflaster geendet. Der mit dem Messer war in den Knast gewandert. Der mit der Pistole ins Leichenschauhaus.
    »Sie lebt eine Lüge«, sagte Clevenger, als Grace Baxters Wagen an dem Maschendrahtzaun und dem Tor vorbeifuhr, die die Fitzgerald-Werft – auf deren Gelände
Boston Forensics
seine Heimstatt gefunden hatte – vom Rest von Chelsea trennten. »Das tut weh. Jeden Tag mehr.«
    »Die Wahrheit wird dich befreien«, bemerkte Anderson. »Es sei denn, du bist schuldig.« Seine Lippen verzogen sich zu jenem gewinnenden Lächeln, das andere Leute unweigerlich dazu brachte, ihn zu mögen und sich ihm zu öffnen, in Boston nicht anders als zuvor in Baltimore. Weil er die Menschen mochte, mit all ihren Schwächen. »Detective Mike Coady von der Bostoner Polizei hat gerade angerufen.«
    »Was wollte er?«, fragte Clevenger.
    »Hast du von dem Typen gehört, bei dem sie im Massachusetts General so eine Hirnoperation durchführen wollten?«
    »Klar, war für heute Morgen angesetzt. John Snow. Der
Globe
hat ihn wieder mal als Aufmacher benutzt.«
    »Die

Weitere Kostenlose Bücher