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Ausgelöscht

Ausgelöscht

Titel: Ausgelöscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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zu gehen. Ich muss mich zwingen, mich abends zu meinem Mann ins Bett zu legen. Ich muss mich zwingen zu leben.«
    Dr. Frank Clevenger, achtundvierzig Jahre alt, schaute aus dem Fenster seiner am Hafenrand von Chelsea gelegenen Praxis auf die Autoschlange, die Richtung Bostoner Innenstadt kroch. Er fragte sich, wie viele von den Leuten in jenen Autos wirklich an den Ort wollten, zu dem sie unterwegs waren. Wie viele von ihnen genossen den Luxus, einen Platz anzusteuern, an dem sie etwas Echtes, Ehrliches über sich selbst aussagen würden oder zumindest etwas, das ihnen nicht das Gefühl gäbe, Schwindler zu sein, Theater zu spielen? Wie viele von ihnen kehrten zu einem Zuhause zurück, in dem sie tatsächlich leben wollten? »Spielen Sie mit dem Gedanken, sich etwas anzutun, Grace?«, fragte er sanft und sah sie an.
    »Ich will einfach nur, dass der Schmerz aufhört.« Sie wiegte sich im Sessel vor und zurück. »Und ich will nie wieder jemandem wehtun.«
    Irrationale Schuldgefühle waren eins der Kennzeichen für eine klinische Depression. Manche Patienten konnten sich tatsächlich in die Überzeugung hineinsteigern, sie seien für den Holocaust oder alles sonstige Leid der Welt verantwortlich. »In welcher Weise wehtun?«, fragte Clevenger.
    Sie senkte den Blick. »Ich bin ein schlechter Mensch. Ein abscheulicher, abscheulicher Mensch.«
    Clevenger sah, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Sie war achtunddreißig und noch immer sehr attraktiv. Ihr welliges kastanienbraunes Haar, ihre smaragdgrünen Augen und der perfekte Schnitt von Nase und Wangenknochen verrieten, dass sie geradezu überirdisch schön gewesen sein musste, als sie mit sechsundzwanzig den vierzehn Jahre älteren und bereits sagenhaft reichen George Reese geheiratet hatte. Erst jetzt, wo ihre physische Anziehungskraft nachließ, stellte sie sich der Tatsache, dass sie weder ihren Mann noch ihre Arbeit noch ihren Lebensstil mochte – nicht die teuren Autos und auch nicht den Privatjet oder das Patrizierhaus am Beacon Hill oder die Feriendomizile auf Nantucket und in Aspen. Sie spürte, dass Schönheit und Reichtum sie weit von ihrem eigentlichen Selbst entfernt hatten, und sie wusste nicht, wie sie zu sich zurückfinden sollte oder ob überhaupt noch etwas von ihr übrig wäre, wenn sie tatsächlich zurückkehren könnte. »Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, dass man Menschen wehtut, Grace«, sagte Clevenger. »Nicht, wenn man ein wirklicher Mensch sein möchte.«
    Grace faltete die Hände im Schoß. »Als ich ihn heiratete, ließ er mich meinen Namen behalten. Es sollte ein Symbol dafür sein, dass keiner von uns Eigentum des anderen ist.« Sie zupfte an den drei diamantenen Armbändern, die sie um ihr eines Handgelenk trug. Mit dem Daumen fuhr sie über das Uhrglas der goldenen brillantbesetzten Rolex am anderen Handgelenk. »Ich hasse diese Dinge«, sagte sie. »George hat sie mir geschenkt. Hochzeitstagsgeschenke. Es könnten ebenso gut Handschellen sein.«
    Bei diesen Worten fragte sich Clevenger, wie düster Graces Gedanken tatsächlich waren. Vielleicht erging sie sich bloß in einer eleganten Metapher für ihr Leben im goldenen Käfig, doch die Tatsache, dass sie praktisch im gleichen Atemzug davon gesprochen hatte, jemandem wehzutun und Handschellen zu tragen, beunruhigte ihn: Vielleicht hatte sie doch etwas wirklich Zerstörerisches im Sinn.
    In dem Jahr, seit Clevenger den Fall mit dem Highway-Killer gelöst und Serienmörder Jonah Wren gefasst hatte, bevor der irgendwo an einem einsamen Straßenrand eine weitere enthauptete Leiche zurücklassen konnte, hatte sich die Kluft zwischen seiner forensischen Arbeit und seiner psychotherapeutischen Praxis geschlossen. Es klopften nur noch wenige Wald-und-Wiesen-Depressive und -Neurotiker an seine Tür. Die meisten Leute, die sich Heilung von ihm erhofften, kämpften gegen den Drang an, anderen Menschen etwas anzutun.
    Grace wäre nicht die erste Frau, die sich so sehr als Gefangene ihrer Ehe fühlte, dass sie sie gegen eine Gefängniszelle eingetauscht hätte. »Stellen Sie sich manchmal in Ihrer Fantasie vor, jemand Bestimmtem etwas anzutun?«, fragte er.
    Sie starrte zu Boden und stellte sich dabei eindeutig etwas vor. Was immer es war, es ließ sie erröten. »Nein«, antwortete sie. Sie sah auf und strich einige imaginäre Falten an ihrem Rock glatt. »Ich meinte einfach nur, dass ich gern ein besserer Mensch wäre. Ich möchte das, was ich habe, auch lieben können.«
    Das klang

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