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Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Eins
Schlangen im Paradies
    Das Erste, was ich sah, als ich die Augen aufschlug, waren die Traubenkirschbäume. Wir hatten einen warmen Frühling gehabt, und nun standen sie in voller Blüte, dicht behängt mit duftenden Dolden. Antti bestand darauf, nachts die Vorhänge offen zu lassen, damit er ihre Zweige sehen konnte, die sich vor dem Sommernachtshimmel abzeichneten. Allmählich hatte auch ich mich an die Helligkeit im Schlafzimmer gewöhnt.
    Antti schlief noch, Einstein räkelte sich in den Sonnenstrahlen, die auf das Bett fielen. Es war acht, Zeit zum Aufstehen.
    Ich ging in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine ein. Ohne Kaffee bin ich morgens nicht zu gebrauchen. Ich ließ mir eiskaltes Wasser über das Gesicht laufen und tapste dann barfuß über den Hof, um die Zeitung hereinzuholen. Das Gras kitzelte an den Fußsohlen, ich atmete tief ein, spürte den Duft der Traubenkirschblüten und die aufziehende Sommerhitze. Nur der Baulärm am Westring störte die Idylle.
    Ich widmete mich in aller Ruhe meinem Frühstück und der Zeitung, bevor ich Einstein zu seinem allmorgendlichen Uferrundgang nach draußen ließ. Dann zog ich die Büroshorts und die korrekte Bluse an, trug Wimperntusche und eine Spur Lippenstift auf und radelte los. Antti schlief noch immer. Er hatte wieder die halbe Nacht über seiner Dissertation gesessen, erst in der Morgendämmerung war er zu mir ins Bett gekrochen.
    Seit gut einem Monat übten wir uns im Zusammenleben. Bisher hatten wir es ohne schlimmere Wutausbrüche und Streitereien geschafft, obwohl vor allem bei mir die Nerven blank lagen. Ein neuer Wohnort, ein neuer Job, die ungewohnte Zweisamkeit im Alltag, das Gefühl der Leere nach dem bestandenen Examen … Mehr als genug Stress für eine einzige Frau.
    Eigentlich kannte ich Antti schon lange. Vor vielen Jahren hatte ich ihn als Freund des Freundes meiner Mitbewohnerin kennen gelernt und sofort interessant gefunden. Im vergangenen Jahr hatten wir uns dann wieder gesehen, als ebendieser Freund ermordet wurde. Aber erst nachdem der Mordfall aufgeklärt war, hatten wir unser Interesse füreinander wieder entdeckt, dabei war es für uns beide nicht der günstigste Zeitpunkt zum Verlieben gewesen: Ich schrieb mit Feuereifer an meiner Abschlussarbeit, Antti arbeitete an seiner Dissertation und lehrte an der Universität Mathematik. Unsere gemeinsamen Mittagessen in der Mensa im Hauptgebäude der Uni zogen sich in die Länge, und ab und zu legten wir anschließend auf dem Sofa in Anttis Arbeitszimmer einen Quickie hin.
    Trotzdem schaffte ich es, meine Abschlussarbeit fertig zu schreiben, und begab mich auf die Stellensuche, die, wie sich bald herausstellte, schwieriger war, als ich erwartet hatte. Ich zog sogar schon in Erwägung, bei der Polizei, meinem früheren Arbeitgeber, anzurufen, sosehr es mir auch gegen den Strich ging, demütig um eine Vertretungsstelle zu betteln.
    Dann passierten gleich mehrere Dinge auf einmal: Antti bekam ein großzügiges Stipendium, das es ihm ermöglichte, ein Jahr lang ganztags an seiner Dissertation zu arbeiten, ich fand einen Job in einer kleinen, recht leger wirkenden Anwaltskanzlei im Norden des Espooer Stadtteils Tapiola, und die Erben meiner verstorbenen Großtante entschlossen sich, die Wohnung zu verkaufen, in der ich seit vier Jahren ohne Mietvertrag gehaust hatte.
    Anfangs war zwischen uns nicht die Rede von Zusammenziehen. Anttis Zweizimmerwohnung wäre sowieso zu klein für uns beide gewesen, weil er ja jetzt zu Hause arbeitete. Ich war schon auf Wohnungssuche, als Antti erfuhr, dass an seinem Haus die Fassade renoviert werden sollte.
    »Bei dem Krach kann ich mich nicht auf die Arbeit konzentrieren«, erklärte er mir am Telefon. »Meine Eltern wollen auf jeden Fall den ganzen Sommer in ihrer Villa in Inkoo verbringen, also werd ich wohl so lange nach Tapiola in ihre Wohnung ziehen. Wann musst du denn aus deiner Bude raus?«
    »Spätestens Anfang Juni. Wieso?«
    »Ach, ich dachte nur … du könntest doch den Sommer über bei mir in Tapiola wohnen. Dann können wir mal ausprobieren, wie wir miteinander auskommen.«
    »So was kann man doch nicht am Telefon entscheiden«, wehrte ich erschrocken ab. Zusammenleben, das kam mir einfach zu endgültig vor, es machte mir Angst.
    Nachdem wir am Abend stundenlang darüber geredet hatten, stimmte ich schließlich zu. Anttis Eltern wollten am ersten Mai nach Inkoo ziehen und bis Ende September bleiben, eventuell auch länger. Sie spielten wohl

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