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Ausgespielt

Ausgespielt

Titel: Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Martinis auf einem Tablett zurückgekehrt war. Er stellte sie mit großer Sorgfalt ab und sah zu, wie die Flüssigkeit erbebte. Die Stielgläser waren so kalt, dass Eisflocken an der Außenseite der 111
    Gläser hinabglitten. Der Wodka aus dem Gefrierfach wirkte im Licht ölig. Ich hatte seit Urzeiten keinen Martini mehr getrunken und rief mir den scharfen, fast chemischen Geschmack ins Gedächtnis.
    Ich weiß nie zu sagen, was an Cheneys Gesicht so anziehend ist – der breite Mund, die dunklen Brauen oder seine Augen, die so braun sind wie alte Pennys. Seine Hände sind groß, und es hat den Anschein, als hätte er sich mal die Knöchel gebrochen, als er jemanden verdroschen hat. Ich studierte seine Gesichtszüge, riss mich aber schnell zusammen, da mir klar wurde, dass ich mir eigentlich selbst eine Ohrfeige verpassen müsste. Gerade erst hatte ich Reba wegen ihrer idiotischen Affäre mit einem verheirateten Mann die Hölle heiß gemacht, und nun saß ich da und spielte selbst mit genau dem gleichen Gedanken.
    »Danke, Lewis«, sagte Cheney. »Schreiben Sie alles
    zusammen auf meine Rechnung.«
    »Gerne. Sagen Sie einfach Bescheid, wenn Sie noch etwas möchten.«
    Als Lewis weg war, erhob Cheney sein Glas und stieß damit sacht gegen meines. »Cheers.«
    Ich trank einen Schluck. Der Wodka war weich und bildete eine Wärmesäule, die mir am Rückgrat entlang bis in die Schuhe sank. »Ich hoffe, du willst mir nicht erzählen, dass sie in Schwierigkeiten steckt.«
    »Ich würde sagen, sie steht haarscharf davor.«
    »O nein.«
    »Wie gut kennst du sie?«
    »Du kannst in der Vergangenheitsform sprechen. Ich habe den Auftrag erledigt, für den ich engagiert worden bin, und jetzt ist er abgeschlossen.«
    »Seit wann?«
    112
    »Wir haben uns heute Nachmittag voneinander verabschiedet.
    Was hat sie denn angestellt?«
    »Bis jetzt noch nichts, aber sie steht kurz davor.«
    »Das hast du bereits erwähnt. Und was soll das heißen?«
    »Sie war mit Alan Beckwith zusammen, dem Mann, den du am Montagabend hier kennen gelernt hast.«
    »Ich weiß, wann ich den Typen kennen gelernt habe, aber was interessiert dich das?« Ich merkte, wie sich angesichts der Folgerungen aus seinen Worten eine gewisse Feindseligkeit in meinen Tonfall schlich. Offenbar hatte an dem Abend, als ich Reba bei ihrem Techtelmechtel mit Beck beobachtet hatte, wiederum irgendjemand mich beobachtet.
    »Werd nicht giftig.«
    »Tut mir Leid. Ich wollte nicht, dass es so rüberkommt.« Ich holte tief Luft und zwang mich zu einer ruhigeren Gangart. »Ich begreife nicht, was du mit dem Ganzen zu tun hast«, sagte ich.
    »Und lass mich bitte nicht raten. Auf den Stress kann ich verzichten.«
    Cheney schmunzelte. »Ich stehe in Kontakt mit ein paar Leuten, die an ihm interessiert sind. Und damit auch an ihr. Du musst aber wissen, dass das alles höchst vertraulich ist.«
    »Ich schwöre Stillschweigen«, erwiderte ich und legte mir eine Hand aufs Herz.
    »Weißt du irgendetwas über Beck?«
    »Ich bin unschuldig. Halt, warte mal. Das stimmt nicht ganz.
    Ich weiß, dass seinem Vater das Clements gehört hat. Also gehe ich davon aus, dass der Mann zu seiner Zeit ganz oben mitgespielt hat.«
    »Er war die Nummer eins. Alan Beckwith senior hat mit einer Reihe von Konzessionsgeschäften einen Riesenhaufen Geld verdient, in erster Linie mit Immobilien. Der Junior war auch erfolgreich, aber er hat zeit seines Lebens im Schatten seines 113
    Vaters gestanden. Beck hat es nie so weit gebracht wie Daddy.
    Soweit ich weiß, hat sein Vater zwar kein Urteil über ihn gefällt, doch Beck war sich des Leistungsunterschieds zwischen ihnen stets bewusst. Sein alter Herr hat in Harvard studiert und als Fünfter seines Jahrgangs abgeschlossen. Becks akademische Laufbahn war nichts Besonderes. Sein College war ordentlich, aber eindeutig zweitklassig. Er hat seinen MBA gemacht, doch was die Noten anging, kam er nicht einmal unter die besten fünfundzwanzig Prozent. Seine Leistungen waren im Vergleich zu denen seines Vaters bescheiden, und ich vermute, je älter er wurde, desto mehr hat ihm das zu schaffen gemacht. Er gehört zu der Art von Männern, die sich geschworen haben, bis zum Alter von vierzig Multimillionär zu sein. Mit dreißig sah er sich in einer Sackgasse festsitzen und wollte unbedingt einen großen Coup landen. Du kennst doch die Redensart: ›Geld ist nur eine Messlatte für den Punktestand.‹ Das hat sich Beck zu Herzen genommen. Vor fünf, sechs Jahren hat er sich

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