Ausgespielt
gekannt?«
William zog eine verwunderte Miene. »Ich bin dem Mann nie begegnet. Ich habe nur in der Zeitung über ihn gelesen.
Nachdem schon so viele seiner Angehörigen tot waren, dachte ich mir, dass wenigstens irgendjemand hingehen sollte, um ihm Respekt zu bezeugen. Norbert hat sich sehr darüber gefreut. Wir haben uns lange angeregt unterhalten.«
»Ich dachte, du hättest Beerdigungen aufgegeben.«
»Habe ich auch … prinzipiell … aber es schadet nichts, ab und zu einer Trauerfeier beizuwohnen.«
Ich bog nach rechts in meine Straße ein, an Rosie’s Tavern vorbei. Auf halbem Weg zwischen meiner Wohnung und dem 181
Lokal fand ich eine Parklücke, in die ich den Käfer mit Müh und Not hineinmanövrierte. Ich stellte den Motor ab und wandte mich an William. »Bevor du gehst, wollte ich dich noch etwas fragen. Hast du zufällig Lewis in Michigan angerufen und ihn dazu überredet zu kommen?«
»Ach, dazu hat es nicht viel Überredung gebraucht. Sowie ich Matties Namen erwähnt habe, hat er sich schon in Bewegung gesetzt. Ich habe es sogar so hingedreht, dass er es für seine eigene Idee gehalten hat. Wie ich zu Rosie gesagt habe: ›Das war das Ei des Kolumbus!‹«
»William, ich kann nicht fassen, dass du das fertig gebracht hast!«
»Ich auch nicht. Der Gedanke ist mir in einem lichten Moment ganz spontan in den Sinn gekommen. Ich fand Henry so selbstzufrieden. Er braucht einen Anreiz, und auf die Art könnte es klappen.«
»Ich habe nicht gesagt, dass mir der Plan gefällt. Ich finde ihn hinterhältig.«
Leicht bestürzt runzelte er die Stirn. »Warum sagst du das? Er und Lewis waren schon immer eifersüchtig aufeinander. Es wundert mich, dass du das nicht bemerkt hast.«
»Natürlich habe ich es bemerkt. Man müsste schon hirntot sein, um das nicht mitzukriegen. Das Problem ist nur, dass Henrys Reaktion genau ins Gegenteil umgeschlagen ist. Er bemüht sich nicht etwa intensiver um Mattie. Er zieht sich zurück.«
»Henry ist ein ganz Schlauer. Er hat immer noch einen Trumpf im Ärmel.«
»Da habe ich aber etwas anderes gehört. Er hat gesagt, dass er es ablehnt, einen Konkurrenzkampf anzufangen. Er findet es geschmacklos, also räumt er das Feld.«
»Lass dich von diesem Trick nicht einwickeln. Das habe ich 182
schon mehr als ein Dutzend Mal miterlebt. Er und Lewis haben es auf dieselbe hübsche Maid abgesehen, und das Turnier beginnt. Es lässt sich sogar noch besser an, als ich gehofft hatte.
Du weißt ja, dass Lewis Mattie dazu überredet hat, noch einen Tag zu bleiben. Du hättest sehen sollen, wie Henry da das Gesicht verzogen hat. Es war zwar ein Schock für ihn, aber er erholt sich schon wieder. Auch wenn es vielleicht einen gewissen Aufwand erfordert, trägt er bestimmt am Ende den Sieg davon.«
»Hast du mit ihm gesprochen?«
»Seit gestern nicht mehr. Warum?«
»Als ich gestern Abend nach Hause gekommen bin, war ihr Auto weg, und sein Haus lag im Dunkeln.«
»Bei Rosie war er nicht. Das kann ich dir versichern. Du weißt ja, dass Lewis Mattie eingeladen hat, mit ihm ins Kunstmuseum und hinterher mittagessen zu gehen.«
»William, ich habe direkt daneben gesessen.«
»Dann musst du ja auch ihre Reaktion gesehen haben. Sie war Feuer und Flamme für die Idee, und das ist Henry nicht entgangen. Wahrscheinlich hat er sich für gestern Abend etwas ganz Besonderes für Mattie und sich einfallen lassen.«
»Das glaube ich nicht. Als ich mit Henry gesprochen habe, war er zu nichts zu bewegen.«
William winkte ab. »Am Ende gibt er bestimmt nach. Er lässt sich niemals von Lewis ausstechen.«
»Hoffentlich hast du Recht«, erwiderte ich zweifelnd.
Wir öffneten jeder unsere Tür, stiegen aus und
verabschiedeten uns. Ich hätte gerne noch etwas gesagt, doch es kam mir klüger vor, das Thema fallen zu lassen. Er war sich seiner Sache ja sehr sicher. Vielleicht würde Henry doch wieder zu kämpfen beginnen, und Williams Einmischung würde sich als »das Ei des Kolumbus« erweisen, wie er es ausgedrückt 183
hatte. Ich sah ihm nach, wie er pfeifend und stockschwenkend auf Rosie’s Tavern zuging. Als ich durchs Tor trat, hob ich Henrys Nachmittagszeitung auf, die noch auf dem Weg lag.
Henrys Hintertür stand offen. Ich rang kurz mit mir, dann ging ich hinüber und klopfte an die Fliegentür. »Bist du da?«
»Ja. Komm rein.«
Das Deckenlicht war aus, und obwohl es draußen eigentlich noch hell war, wirkte der Raum düster. Henry saß mit seinem gewohnten Glas Whiskey in der Hand
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