Ausgespielt
würde herüberstolzieren, sich selbst den Puls messen und nach 186
den neuesten Entwicklungen bei den Verliebten fragen. Falls er noch nichts von der Trennung wusste, wollte ich nicht diejenige sein, die es ihm erzählte. Und falls er es von Lewis erfahren hatte, wollte ich mir nicht anhören, wie er seine eigene Beteiligung daran herunterspielte. Eine Joggingrunde hätte mich vermutlich aufgeheitert, doch angesichts meiner derzeitigen Stimmung hätte ich schon den ganzen Weg nach Cottonwood laufen müssen, hin und zurück gute zwanzig Meilen.
Das war einer dieser Momente, in denen man eine Freundin braucht. Wenn man schlecht drauf ist, ruft man nämlich seine beste Freundin an – habe ich zumindest gehört. Man plaudert.
Man lacht. Man erzählt ihr seine traurige Leidensgeschichte, sie bekundet ihr Mitleid, und dann zieht man los und macht einen Einkaufsbummel wie ganz normale Leute. Aber ich hatte keine Freundin, ein Mangel, der mir nicht aufgefallen war, ehe Cheney aufgetaucht war. Jetzt musste ich also nicht nur damit fertig werden, dass ich ihn nicht hatte, ich hatte auch sie nicht, wer auch immer sie war.
Da meldete sich ein Stimmchen. Ah, aber du hast doch Reba.
Ich überlegte. Hätte ich eine Liste mit wünschenswerten Eigenschaften an einer Freundin aufgestellt, hätte »vorbestraft«
nicht dazu gehört. Andererseits wäre ich aber selbst vorbestraft gewesen, wenn ich auch nur bei der Hälfte der Sachen, die ich mir geleistet hatte, erwischt worden wäre.
Ich ging ans Telefon und wählte die Nummer der Laffertys.
»Reba, hier ist Kinsey«, sagte ich, als sich Reba meldete. »Sie könnten mir einen Gefallen tun. Haben Sie ein Talent für Modeberatung?«
Reba holte mich mit ihrem Wagen ab, einem zwei Jahre alten schwarzen BMW, den sie erst kurz vor Antritt ihrer Haft bekommen hatte. »Der Staatsanwalt hat förmlich danach gelechzt, den Wagen zu beschlagnahmen, da ich ihn angeblich 187
mit unrechtmäßigen Einnahmen gekauft hätte. Da war er aber schief gewickelt. Mein Vater hat mir den Wagen zu meinem dreißigsten Geburtstag geschenkt. Der Staatsanwalt konnte seine Hoffnungen begraben.«
»Mit welcher Begründung haben Sie denn Ihr Essen mit Onni abgesagt?«
»Ich habe ihr erzählt, dass mir etwas dazwischengekommen ist und wir es auf einen anderen Abend verschieben müssen.«
»Und das hat sie geschluckt?«
»Aber sicher. Wahrscheinlich hat es ihr sowieso widerstrebt, mit mir essen zu gehen. Ich habe ihr in Bezug auf Beck immer mein Herz ausgeschüttet, weil ich ja mit niemand anders über ihn reden konnte. Beck hat dies gesagt, Beck hat das gesagt.
Und in Sachen Sex, da habe ich ihr im wahrsten Sinne des Wortes alles brühwarm erzählt.«
»Das war Ihr Fehler. Sie haben ihn zu verlockend dargestellt.«
»Da haben Sie Recht. Onni war schon immer neidisch auf mich. Sowie ich ihr den Rücken zuwende, schnappt sie sich meinen Job, und dann spaziert sie auch noch mit der Liebe meines Lebens davon – oder zumindest habe ich es so
empfunden. Ich hasse Frauen, die ständig diesen dämlichen Konkurrenzkampf betreiben.«
»Wie ist sie denn?«
»Das dürfen Sie gern selbst beurteilen, solange Sie zur gleichen Meinung kommen wie ich. Ich weiß, wo sie abends immer abhängt. Wenn Sie Lust haben, können wir nachher vorbeifahren, dann mache ich Sie mit ihr bekannt.«
»Wo vorbeifahren?«
»Beim Bubbles in Montebello.«
»Das war zwei Jahre lang zu.«
»Hmm. Der Laden hat den Besitzer gewechselt. Der Name ist geblieben, aber es hat seit einem Monat unter neuer Leitung 188
wieder offen.«
»Und wo fahren wir jetzt hin?«
»Zum Einkaufszentrum.«
Passages, das neu eröffnete Einkaufszentrum im Herzen von Santa Teresa, war einer alten spanischen Stadt nachempfunden.
Die Architektur bot eine pittoreske Auswahl von schmalen, direkt aneinander gebauten Gebäuden in unterschiedlicher Höhe mit Bögen, Laubengängen, Innenhöfen, Brunnen und Seitenstraßen, wobei der gesamte, aus drei Häuserblöcken bestehende Komplex von roten Ziegeldächern gekrönt war. Im Erdgeschoss gab es Restaurants, Kleiderläden, Galerien, Juweliere und andere Einzelhändler. Die breite zentrale Promenade wurde am einen Ende von Macy’s und am anderen von Nordstrom’s begrenzt, während an prominenter Stelle eine große Filiale einer Buchhandlungskette eingezogen war. Überall wuchsen Pfefferbäume und blühende Sträucher. In den höheren, drei bis vier Stockwerke umfassenden Gebäuden befanden sich Büroräume, die an
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