Ausritt im Park
Glück.« Seine Hand berührte sanft meinen Oberschenkel.
Ich zuckte zusammen.
»Danke!«, rief ich noch, als ich das Eingangstor passierte. Er hatte es ernst gemeint, das wusste ich, aber trotzdem hatte mich diese Berührung wieder schmerzlich daran erinnert, wie alleine ich noch immer war.
Ein Sandkorn flog mir ins Auge. Eine Träne rollte über meine Wange. Ich hatte übertrieben …, nein, ich hatte gelogen, als ich sagte, ich hätte jemanden kennengelernt. Der fremde Reiter hatte mich bisher nur einmal angesehen. Und es war bis jetzt nur mein Herz, das an diesem einen einzigen Lächeln hing. Seufzend lenkte ich Artos in Richtung Hydepark.
Bisher waren nur wenige Menschen unterwegs. Die Sonne stand gerade erst über den Bäumen. Sollte ich auf und ab reiten, um ihn nicht zu verfehlen, oder einfach an einer Stelle warten, bis er kommen würde? Was, wenn er heute überhaupt nicht im Park, sondern woanders seinen morgendlichen Ausritt machte? Mein Atem stockte, meine Brust verkrampfte sich. Ich verbot mir jeden weiteren Gedanken daran. Dafür starrte ich jetzt auf einen dunklen Punkt in weiter Ferne, der gerade erst aufgetaucht war. War er es? Ein leichter Druck in die Flanken und Artos setzte sich gemächlich in Bewegung. Die schemenhafte Gestalt wurde langsam größer. Noch immer konnte es ein anderer Reiter sein, der zufällig an diesem schönen Tag seine morgendlichen Runden zog. Dann war ich mir plötzlich sicher! Ich hatte ihn nun schon oft genug beobachtet. Er trug wieder diesen neuen modischen Hut. Nicht so hoch wie allgemein üblich und die Krempe leicht geschwungen mit einer kurzen Fasanenfeder an der rechten Seite. Ja, er war es wirklich. Jetzt war auch deutlich das weiße Hemd mit den auffallenden französischen Rüschen im Ausschnitt zu erkennen. Wie immer war der oberste Knopf weit offen. Ich musste lächeln. Würde Frederik das jetzt sehen, wären dem Fremden ein tadelnder Blick und eine strenge Zurechtweisung über die nachlässige Jugend von heute gewiss.
Ich ließ Artos in einen leichten Trab übergehen. Es sollte nicht so aussehen, als würde ich hier auf ihn warten.
Mein Herz pochte nun wie wild. Auf der Stirn machten sich kleine Schweißperlen bemerkbar. Wie sollte ich ihn nur anreden? Was sollte ich sagen?
Plötzlich schoss ein geflecktes graues Etwas direkt vor mir über den Weg. Ich hörte noch das Bellen des Hundes, der dem flinken Kater hinterher hetzte. Artos wieherte unruhig und stieg hoch. Mein Blick starrte immer noch auf den entfernten Reiter, als plötzlich der Sattel unter mir nachgab und ich den Halt verlor. Ich rutschte, kippte seitlich aus dem Sitz und schlug stöhnend mit dem Rücken auf den harten Boden auf. Artos tänzelte nervös hin und her. Irgendetwas stimmte nicht. Mit Entsetzen sah ich, wie mein linker Stiefel durch den Steigbügel gerutscht war und sich mein Fuß darin verfangen hatte.
Einige Männer kamen näher und redeten beruhigend auf Artos ein. »Nicht näher kommen«, wollte ich gerade rufen, aber es war schon zu spät. Artos schnaubte wild und stieg hoch. Unbeherrscht schlug er mit seinen Hufen um sich. Eine Frauenstimme kreischte entsetzt auf. Das war zu viel für mein tapferes Pferd. Artos setzte sich, mit mir im Schlepptau, in Bewegung und schoss zwischen den erschrockenen Zuschauern hindurch auf eine offene Wiese seitlich des Weges zu. Im Galopp hetzte er über das noch feuchte Gras. Im Stillen dankte ich den Parkgärtnern, die die Grasfläche von Geröll und Steinen befreit hatten, ansonsten hätte ich diese Tortur wohl nicht lebend überstanden. Artos reagierte auch nicht auf meine panischen Schreie. Schon versagte meine Stimme. Ich kannte diese Ecke des Parks recht gut. Gleich hinter der Anhöhe, auf die mein Pferd nun zujagte, lag ein großer See. Rechts davon ein Pavillon im griechischen Stil mit einem offenen Säulengang. Links vom See ein alter, natürlich gewachsener Buchenhain. Am Pavillon würden sich auch jetzt schon einige Besucher aufhalten. In den dichten Wald würde Artos nicht laufen, also müsste dieser Ausflug am Seeufer sein unrühmliches Ende finden.
Hinter mir hörte ich nun deutlich das Stampfen eines anderen Pferdes. Meine Augen konnten den Reiter nicht finden, der offensichtlich die Verfolgung aufgenommen hatte. Über mir zog ein blauer Himmel mit kleinen weißen Wolkenfetzen vorbei, immer wieder von Artos Hufen unterbrochen, die mehr als einmal mein Blickfeld streiften und mir dabei gefährlich nahe kamen.
Kaum hatte mein
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