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Ausritt im Park

Ausritt im Park

Titel: Ausritt im Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Bringston
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gutes Ross den Hügelkamm erreicht, zog es nach links in Richtung der alten Bäume davon. Blanke Angst stieg in mir hoch. Damit hatte ich nicht gerechnet. Wenn mein geliebtes Pferd mich durch diesen Wald schleifen würde, hätte meine letzte Stunde geschlagen. Mein Rückgrat würde wie ein morscher Ast an einem Felsen zersplittern oder mein Kopf wie ein reifer Kürbis an einem Baumstamm bersten.
    »Artos, nein! Artos! Artos!« Schon spürte ich die ersten Baumwurzeln, die meinen Rücken streiften.
    Plötzlich schoss ein schwarzer Schatten an mir vorbei. Jemand griff nach dem losen Zaumzeug meines Pferdes.
    »Ruhig, Brauner, ist ja alles gut. Schön ruhig. Du hast es ja gleich überstanden.«
    Dann lag ich still auf dem Waldboden. Um mich herum drehte sich alles. Blätter wirbelten durch die Luft. Sonnenstrahlen blendeten mich. Ein Gesicht erschien über mir. Dunkle Augen sahen mich an. Sinnliche Lippen öffneten sich, als wollten sie etwas sagen.
    Ich kannte dieses Gesicht. Ich hatte es schon einmal gesehen, aber ich wusste nicht mehr wo. Wusste einfach nicht mehr wo. Wo nur …, wo nur?

    Das Erste, was ich hörte, waren die schlurfenden Schritte von Frederik. Er stellte wie immer das Tablett mit dem Frühstück auf die Kommode im Vorraum. Die Tür zu meinem Schlafzimmer öffnete sich knarrend. Auch wie immer. Trotz aller Versuche, die Scharniere zu ölen, zu fetten, mit Tran einzureiben, oder zu wachsen – diese Tür ließ sich weder leise öffnen noch schließen. Sie widersetzte sich einfach, sich zu einer normalen anständigen Tür machen zu lassen.
     Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Oft hatte ich den Weg über den kleinen Balkon genommen, spät nachts oder früh am Morgen nach meinen nächtlichen Männereskapaden, nur um nicht das ganze Haus aufzuwecken. Später hatte Frederik die Tür schon vorsorglich einen Spalt weit aufstehen lassen, wenn er, bevor er zu Bett ging, seine letzte Runde im Haus drehte.
    Wo war ich nur letzte Nacht gewesen? Warum brachte Frederik das Frühstück in mein Schlafzimmer und nicht in den Salon? Ich öffnete die Augen. Die Vorhänge waren zugezogen. Gedämpftes Licht drang von draußen herein und tauchte das Zimmer in einen merkwürdig düsteren Farbton. Die Schatten von den Fensterkreuzen sahen ebenso eigenartig aus. Sie fielen zur falschen Seite. Früh morgens waren sie immer rechts von meinem Bett. Jetzt waren sie an der linken Seite. Und warum brannte das Feuer im Kamin schon?
    Frederik kam mit dem Tablett herein und sah mich an.
    »Oh, wie wunderbar, dass du wach bist, Brian. Dass ich das noch erleben darf!«
     Noch zittriger als sonst setzte er das Servierbrett auf einen kleinen Tisch. Er kam um das Bett herum und sah mich aufmerksam an.
    Ich blickte verwirrt zu ihm auf. Frederik hatte mich zum letzten Mal nach der Beerdigung meines Vaters bei meinem Vornamen genannt, als er mir unter Tränen schwor, für mich zu sorgen – bis an sein Lebensende: »Alles wird gut, Brian. Glaub mir. Alles wird gut werden, mein Junge«, hatte er damals gesagt.
    Heute tat es mir gut, nach so langer Zeit, wieder diese vertraute Nähe zu spüren.
    »Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?«, fragte er jetzt.
    »Ich weiß nicht recht. Alles ist so seltsam. Was ist denn eigentlich passiert?« Ich versuchte, mich aufzusetzen und fiel gleich wieder stöhnend ins Bett zurück. Mein Kopf brummte entsetzlich, und mein Rücken brannte wie Feuer. Aber etwas noch viel Schlimmeres wurde mir plötzlich bewusst. Alles tat mir weh, nur …
    »Meine Beine. Ich spüre meine Beine nicht!« Verzweifelt schob ich die dicke Bettdecke weg. Sie waren noch da. Ich sah sie, konnte sie aber nicht bewegen. Tränen schossen mir in die Augen. Was war nur passiert?
    »Doktor Ludford war bereits hier«, stotterte Frederik unsicher. »Er hat gesagt, das Gefühl wird schon bald wieder kommen. Du brauchst dich nicht zu sorgen. Das passiert manchmal nach einem Reitunfall. Er hat auch eine starke Salbe zum Einreiben da gelassen, um …« Frederiks Stimme brach ab, als ich ihn verständnislos ansah.
    »Du kannst dich nicht erinnern.« Ein langes Schweigen entstand.
    »Dann war es wohl ganz richtig, dass er dich hierher gebracht hat.«
    »Wer hat mich gebracht?« Langsam fing ich an, an meinem Verstand zu zweifeln.
    »Der Gentleman dort.« Frederik trat zur Seite und zeigte auf einen Mann im hinteren Teil des Zimmers. Er saß in dem großen Lesesessel am Kamin. Sein Kopf war zur Seite gefallen und auf seine Brust gesunken. Er

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