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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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Berg. Ich war vor ein paar Jahren schon einmal dort.“ Nils drehte gedankenverloren den Stift zwischen seinen Fingern.
    „Aber dann wissen Sie doch, wie es dort aussieht. Warum wollen Sie noch einmal zu diesem See?“
    „Aus nostalgischen Gründen.“
    „Sie waren mit einer Frau da.“
    „Nein.“ Nils verdrehte die Augen. „Mit meinen Eltern.“
    „Herzallerliebst! Das Nikotinpflaster hat aber nur den Zweck, dass ich schneller und ohne Pause nach Italien komme. Warum also sollte ich eine Stunde oder länger damit vertrödeln, mit Ihnen eine Wanderung zu unternehmen?“
    „Der Weg dauert hin und zurück etwa eine Stunde. Dafür würde ich anschließend bis Lucca nonstop durchfahren. Und wenn die Natur wirklich einmal ihr Recht fordern sollte, kurbele ich das Fenster herunter oder pinkele in eine Flasche.“ Er grinste.
    Ich war noch nicht überzeugt. „Kann ich im Wagen sitzen bleiben, während Sie Ihren Nostalgietrip unternehmen?“
    „Nein. Es ist wirklich ein ziemlich großes Opfer, mir ein Nikotinpflaster auf den Arm zu kleben. Und ich möchte unbedingt Gesellschaft haben. Auch wenn es Ihre ist.“
    Dieser Mensch war ja solch ein witziger Charmebolzen! Auch wenn es Ihre ist! Doch angesichts seines bisherigen Zigarettenkonsums lohnte es sich, zumindest über sein Angebot nachzudenken! Allerdings hatte ich vorher noch etwas zu klären.
    „Ich überlege es mir. Suchen Sie in der Zwischenzeit eine Apotheke! Ich sage Ihnen dann Bescheid, wie ich mich entschieden habe.“
    „Ich kann keine Apotheke suchen, denn ich sitze am Steuer.“ Er reichte mir sein Handy. „Hier! Gehen Sie ins Internet und schauen Sie selbst nach. Wir sind gleich in der Nähe von Obernberg.“
    Ich griff nach dem seltsamen Ding und tatschte etwas unbeholfen auf dem Display herum. Doch es blieb schwarz. Dieses iPhone war eindeutig eine Nummer zu kompliziert für mich.
    „Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll?“
    „Dann werde ich mir das Pflaster leider erst nach unserer Wanderung auf den Arm kleben können.“

Ich brauchte keine zwei Minuten, um zu erfahren, dass Giuseppe nicht wie wir auf die alte Brennerpassstraße ausgewichen war, sondern auf noch unbestimmte Zeit auf der A22 feststeckte. Denn er antwortete mir auf meine SMS sofort:
    „Ich weiß nicht, wie lange der Stau noch dauert. Werde in Verona Zwischenstopp einlegen und erst morgen weiterfahren. Die Stadt von Romeo und Julia wird ohne dich kalt und einsam sein. Rufe an, wenn ich angekommen bin.“
    Was für eine romantische SMS! Ich wäre glatt gerührt gewesen, wenn ich nicht genau wüsste, dass er momentan zusammen mit der hübschen Brünetten in einem Mercedes saß, inklusive Wartelistehandtasche und Fahrerin. Auf der anderen Seite konnte ich mir jetzt sicher sein, dass meine Fahrt mit Nils schon viel früher ein Ende finden würde, als ich zunächst angenommen hatte. Jetzt könnte ich die ganze Angelegenheit schon einige hundert Kilometer vorher in Verona klären und müsste nicht mit ihm bis nach Lucca fahren.
    Ich beschloss, sein Angebot anzunehmen. Und da Nils sich das Ende unserer gemeinsamen Fahrt anscheinend genauso herbeisehnte wie ich, sagte er freudig zu, den kleinen Umweg über Verona in Kauf zu nehmen.
    Schon bald hielten wir vor einem Gasthaus mit dem klangvollen Namen Waldesruh an.
    „Können wir nicht mit dem Auto zum See fahren?“, fragte ich, als ich sah, dass ein steiniger Fahrweg in dessen Richtung führte.
    „Nein. Durchfahrt nur für Berechtigte.“ Nils zeigte auf ein rundes Schild.
    „Vorhin auf der Autobahn haben Sie solche Verkehrsregeln auch nicht interessiert.“ Murrend stieg ich aus dem Auto und trottete hinter Nils her, der forschen Schrittes eine Brücke überquerte und in einen Waldweg einbog, an dessen Anfang ein Kreuz stand. Sein Sockel war liebevoll mit Erika und Schleifenband umsäumt. Es sollte an einen Mann namens Rudolf Geir erinnern, der am 9.6.2005 verstorben war und der mich von einem Foto herunter mit einem Akkordeon in der Hand fröhlich anlächelte.
    Solche Wegkreuze machten mich immer traurig. Wie lange nach dieser Aufnahme hatte er wohl noch gelebt? Sofort nahm ich mir vor, meiner Fahrt nach Italien und insbesondere dieser Wanderung etwas Positives abzugewinnen. Doch das war gar nicht so einfach. Denn hatte der Weg zunächst noch recht sanft ansteigend begonnen, so zweigte er bald auf eine Weide ab und führte steil den Berg hinauf. Stöhnend und ächzend kraxelte ich den immer steiniger werdenden Pfad hoch, der

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