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Die Ballade der Lila K

Die Ballade der Lila K

Titel: Die Ballade der Lila K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blandine Le Callet
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Das Zentralheim
    Als ich ins Zentralheim kam, war ich ziemlich klein, ziemlich dünn und auch sonst nicht gerade in bester Verfassung. Sie haben gleich alles darangesetzt, mich zum Essen zu bringen. Ich sollte unbedingt essen, aber das Zeug war einfach zu ekelhaft. Bei jedem Versuch drehte ich den Kopf weg und presste die Kiefer zusammen. Wenn es ihnen doch einmal gelang, mir einen Löffel voll in den Mund zu schieben, spuckte ich alles sofort wieder aus. Ich habe mich auch mehrmals erbrochen, Blut und Galle. So steht es im Bericht.
    Schließlich haben sie mich am Bett festgeschnallt, mir eine Sonde in die Nase eingeführt und mich auf diese Weise ernährt. Angenehm war das nicht, aber immer noch besser, als ihren widerwärtigen Fraß zu schlucken.
    Ich wollte auf keinen Fall angefasst werden. So steht auf Seite dreizehn: Schreit bei der leisesten Berührung. Und dann: Sedierung. Sedierung bedeutet Anxiolytikaspritze, Gurte und besänftigende Musik, um dem Ganzen einen Anstrich von Menschlichkeit zu verpassen.
    So gelang es ihnen, mich ruhigzustellen und mich von Station zu Station zu schleifen, um ihre Untersuchungsreihe durchzuführen: Sie haben mich betastet, abgehorcht, gemessen und hin- und hergebogen. Sie haben mir Nadeln in den Körper gesteckt, Maschinen an mich angeschlossen. Fotografiert haben sie mich auch. Von dem Blitzlicht musste ich weinen. Da haben sie mir eine dunkle Brille gegeben, mit einem Gummiband anstelle von Bügeln, und ich habe den Mund gehalten.
    Kurz darauf haben sie mich an den Händen operiert. Meine Finger ließen sich problemlos trennen. Ich habe keine Folgeschäden davongetragen, nur ganz feine perlmuttschimmernde Narben, die ich sorgsam verstecke, indem ich die Fäuste fest zusammenballe, um ungebetene Fragen zu vermeiden.
    Sie verwahrten mich meistens in einem geschlossenen Raum, konstant im Halbdunkel gehalten. So dämmerte ich vor mich hin, ohne zu merken, wie die Zeit verging, das sollte mir nur recht sein.
    Sobald ich aus dem Dämmerzustand erwachte, rief ich nach meiner Mutter. Ich konnte nichts anderes sagen, Ama , Ama , Ama , stundenlang, in der Hoffnung, sie schließlich durch diesen unablässig wiederholten Singsang zurückzubringen.
    Ein Herr ist gekommen. Hör auf, deine Mama zu rufen. Deine Mama ist weg. Verstehst du? Ich nickte. Hier bist du in Sicherheit. Alles wird gut, versprochen. Aber du musst aufhören, deine Mama zu rufen. Sein Ton war sanft, anders als seine Augen, eiskalte Augen, hinter den sanften Worten steckte eine unbestimmte Drohung.
    Ich habe gespürt, dass ich sie nicht verärgern durfte. Es bestand die Gefahr, dass sie meiner Mutter etwas antun würden, wenn ich mich nicht fügte. Und so habe ich mich gefügt: Ich hörte auf, nach ihr zu rufen, aber ich hörte nicht auf, an sie zu denken. Sonst hätte ich all die Geräusche nicht ertragen.
    Sie kamen von überall her, belagerten mein Zimmer. Das Gemurmel hinter der Tür, das Wimmern von Kindern, die in den Nebenzimmern eingeschlossen waren, wie Kakerlaken auf meinem Gesicht, wie Fliegen, die an meinem Trommelfell knabberten. Selbst wenn ich den Kopf heftig hin und her schleuderte, schaffte ich es nicht, sie abzuschütteln. Sie klebten an mir fest, fraßen sich in meinen Schädel, ohne jemals aufzuhören.
    Ich hätte mir gern mit beiden Händen die Ohren zugehalten und mich unter das Bett verzogen, eingerollt zu einer festen Kugel. Das hätte mir vielleicht geholfen, diese dichte, aus gedämpften Tönen gewebte Stille wiederzufinden, die mich früher beschützt hat, als ich in meinem dunklen Kokon lag. Aber ich war festgeschnallt und ohnehin so schwach, dass ich höchstens das klägliche Miauen eines verlorenen Kätzchens zustande brachte.
    Jeden Nachmittag wurde ich vom Bett losgeschnallt, in einen Rollstuhl gesetzt und anschließend in einen großen Hof geschoben, damit ich frische Luft schnappen konnte. Das war grauenhaft, wegen des Lichts, das mir trotz dunkler Brille in den Augen brannte, vor allem aber wegen der Hubschrauber. Damals patrouillierten sie dauernd über der Stadt, Sie erinnern sich sicher. Es war ein paar Jahre nach den Ereignissen , und es herrschte noch die höchste Sicherheitsstufe.
    Beim ersten Mal bin ich in Panik geraten. Ama , Ama , Ama . Sie haben mich schleunigst wieder hineingeschoben. Hast du es schon vergessen? Du sollst deine Mama nicht mehr rufen. Du darfst sie nicht mehr rufen! Ich hörte ihren Stimmen an, dass sie verärgert waren. Ich habe an den Herrn gedacht, der

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