Aussteigerin aus Versehen (German Edition)
Ich schrieb also in's Forum was sich bei mir ereignet hatte. Wenige Minuten später bekam ich die ersten Antworten. „Wow,“ dachte ich, „die sind aber fix hier!“
Und dann wurde ich überschüttet mit Informationen, Tipps, Regeln, Glückwünschen, Begrüßungswünschen und so weiter. Dass Hühner aber auch soooo kompliziert sein können, das hätte ich im Leben nicht gedacht. Und so langsam musste ich feststellen: eigentlich hatte ich bisher so ziemlich alles falsch gemacht, was man als Hühnerhalter nur falsch machen kann. Ja – auch Hühner müssen entwurmt werden. Und sie brauchen solche Dinge wie Muschelkalk. Und man muss sie auf Milben untersuchen und gegebenenfalls was dagegen tun. Und die Küken erst … die sind ja noch viiiel komplizierter. Oh Mann, – da hatte ich mich auf was eingelassen. War ich vorher auf dem Level „Tür auf – Huhn rein – Tür zu – fertig“, so wurde die Hühnerhaltung nun für mich zu einer eigenen Wissenschaft. Mit Hilfe der vielen netten User aus dem Forum schaffte ich es, das Küken erfolgreich groß zu ziehen und dabei noch allerhand über Hühnerhaltung zu lernen.
Als ich nun in den Wald zog, da zogen natürlich auch meine Hühner mit. Eigentlich waren es ja unsere Hühner. Aber zum einen kümmerte ich mich meistens sowieso alleine um sie, zum anderen ist es für Hühner im Wald sowieso schöner als in so einem schnöden Innenhof. Also packte ich sie in einen Karton und transportierte sie darin in ihr neues Zuhause. Und die fanden es toll hier, denn sie konnten auf über dreitausend Quadratmeter Wald rumstreunen und machen, was sie wollen. Klar, dass sie davon begeistert waren. Weniger begeistert war meine Nachbarin Petra, die einzige Person, die mit ihrem Mann hier im Wald auch ganzjährig wohnte – Luftlinie knapp dreihundert Meter entfernt. Kaum waren die Hühner hier eingezogen, da gab es auch schon den ersten Stress. Aus dem kleinen süßen schwarzen Küken war nämlich mittlerweile Dank Forum und guter Pflege ein riesiger, stolzer Hahn geworden: Thorsten Schmidt war sein Name. Ein wirklich prächtiges Tier. Mit ebenso prächtiger Stimme. Und sein morgendliches Krähen brachte meine Nachbarin um Verstand und Schlaf. Und meine Nachbarin brachte und bringt mich zunehmend an den Rand des Wahnsinns. Mehr als jeder Hahn. Ärgerlich: da wohne ich wirklich einsam und abgelegen im Wald, rund um mich rum lauter verlassene Häuser … und dann ist da eine einzige Nachbarin – und das muss ausgerechnet eine Frau ohne Tiefschlafphase sein. Die Welt ist einfach ungerecht! Ich selber höre den Hahn morgens nie. Aus ganz einfachem Grund: Nachts um halb vier schlafe ich noch! Daran änderte auch ein krähender Hahn nix. Wenn ich schlafe, dann könnte auch jemand das Haus über mir abtragen – ich würde es glatt verschlafen. Aber besagte Nachbarin hat leider einen viel leichteren Schlaf – einen so leichten, die wacht schon auf, wenn vor ihrem Fenster ein Eichhörnchen vom Baum pinkelt. Übrigens pinkeln Eichhörnchen nachts tatsächlich vom Baum (von wo auch sonst?). Ich weiß: darüber macht sich der normale Bürger natürlich keine Gedanken. Also wie, wann und wo Eichhörnchen denn eigentlich pinkeln. Muss er ja auch nicht. Darüber denkt man erst nach, wenn man sich selbst zu so einem Zeitpunkt gerade unter dem Baum befindet und sich wundert, was einem da eigentlich auf den Kopf tropft. DANN weiß man wie, wo und wann Eichhörnchen pinkeln.
Eine Zeit lang gelangt es mir, Petra ruhig zu stellen. Aber irgendwann musste ich mich leider dann doch von Thorsten Schmidt trennen und suchte und fand über das Hühnerforum ein nettes neues Zuhause für ihn. Mein Verhältnis zu Petra bekam die ersten Risse. So ein Jammer. Nicht wegen Petra – sondern wegen des Hahns.
Thorsten Schmidt war ein wirklich lieber Kerl. Sehr zutraulich und handzahm. Das war auch gut so, denn die Hühner dachten damals gar nicht daran, abends in den eilig für sie gezimmerten Stall zu gehen. Aus Kostengründen und auch ein wenig aus Faulheit hatte ich nur einen sehr kleinen Stall gebaut. Eher ein „Ställchen“. Dieser sollte auch nur zum Schlafen dienen. Tagsüber waren sie ja draußen unterwegs. Doch die Hühner dachten: „Wieso in dem doofen Stall schlafen, wenn hier doch genügend natürliche Alternativen stehen?“ Ich muss gestehen, irgendwie klingt diese Argumentation logisch. Und so saßen sie abends alle in den Bäumen neben dem Stall. In dem Hühnerforum war ich inzwischen Stammgast
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