Australien 03 - Tal der Sehnsucht
»Gott war schon tagelang am Arbeiten. Immerzu am Erschaffen und Erschaffen. Am zehnten Tag wurde ihm die ganze Sache allmählich langweilig, und so dachte Er bei sich, Er könnte sich ein kleines Späßchen machen… nur um ein bisschen Schwung in die Sache zu bringen. Also nahm Er allen Hunden die Arschlöcher weg.« Albert zupfte mit Daumen und Zeigefinger an der Luft. »Dann warf Er sie alle in einen großen Sack und schüttelte ihn gehörig durch.« Albert schüttelte seinen imaginären Sack. »Oh, Gott lachte sich halb tot, als Er das tat – Er fand, das war ein prächtiger Scherz. Also, nachdem Er alle Arschlöcher durcheinander geschüttelt hatte, setzte Er sie den Hunden wieder hinten dran. Und seither, mein Junge, beschnüffeln die Hunde gegenseitig ihre Arschlöcher, wenn sie sich begegnen, weil sie hoffen, dass sie irgendwann ihr eigenes wiederfinden…«
Albert sah Jack stirnrunzelnd an, dann schlug er ihm aufs Bein und begann gleichzeitig zu keuchen, zu husten und zu lachen.
»Ha! Kapiert, Bursche? Von mir kannst du alles lernen, was du über Tiere wissen musst, glaub mir! Ha ha!«
Albert humpelte fort, um den Pferch zu öffnen. Der berittene Treiber pfiff, der schwarze Hund vergaß, weiter nach seinem Hinterteil zu suchen, und kreiste die Färsen ein, um sie durch das Tor zu treiben. Jack schaute zu, wie Mensch und Tier in wortlosem Einklang aus dem Ort abzogen in jenes Land, nach dem sich Jack so sehnte. Dann drehte er sich um, denn der Wind trug die Stimme seiner Tante Margaret heran, die auf dem mit Vorräten beladenen Karren saß, bereit für die Heimfahrt nach Codrington. Jack stieg vom Zaun und rannte zu seiner Tante, die Hände tief in die Hosentaschen geschoben und das Gesicht in grimmige Falten gelegt.
»Suchen nach ihrem Arschloch, leck mich doch«, brummelte er in dem breitesten irischen Akzent, den er zustande brachte.
Kapitel 1
R osemary Highgrove-Jones visierte den Hund durch den Sucher ihrer Kamera an. Sie lachte leise und drückte dann auf den Auslöser. Klick. In der drückenden Hitze, inmitten der Eukalyptusbäume und betrunkenen Zuschauer beim Pferderennen hatte sie das Bild eines vorwitzigen Jack Russells eingefangen, der an Prudence Beatons stämmiges Bein pinkelte. Gelber Urin durchtränkte Prues beige Strumpfhose, während sie höflich und ahnungslos an ihrem ebenso gelben Chardonnay nippte.
Der Jack Russell sah zufrieden aus, reckte den Stummelschwanz zum Himmel und wirbelte mit seinen festen Beinchen vertrocknetes Gras und Staub auf. Danach wandte er seine Aufmerksamkeit Prues Malteser zu. Die beiden kleinen Hunde standen Schnauze an Schwanz beieinander, fast wie Yin und Yang, und begannen sich langsam im Kreis zu drehen, ohne sich um den Trubel über ihren Köpfen zu scheren. Rosemary hatte schon wieder die Kamera erhoben, um ihre Hinternschnüffelei auf den Film zu bannen, als sie die Stimme ihrer Mutter hörte.
»Rosemary Highgrove-Jones! Was in Gottes Namen tust du da?«, zischte Margaret und drückte die Kamera energisch nach unten. »Du bist zum Arbeiten hier! Duncan verlässt sich auf dich! Du wirst ihn doch nicht wieder enttäuschen, oder?«
»Warum machen sie das wohl, Mum?«
»Was?« Margaret legte die Stirn in Falten.
Rosemary nickte zu den Hunden hin. »Sich gegenseitig am Hintern beschnüffeln.«
»Aber Rosemary!« Margaret Highgrove-Jones umklammerte den Ellbogen ihrer Tochter wie mit einer Schraubzwinge und schob Rosemary auf das VIP-Zelt zu. »Jetzt komm, da drin gibt es ein paar Gäste, die es kaum erwarten können, ihr Gesicht in der Gesellschaftskolumne zu sehen.«
Margaret stand groß, schlank und aufrecht auf ihren Keilabsätzen und schien ihre Tochter weit zu überragen. Rosemary kniff die Augen zusammen, weil die Sonne so im rostfarbenen Organzakleid ihrer Mutter gleißte, und sang leise vor sich hin: »Wer die Gesellschaftsseite macht, darf nicht ungesellig sein, wer die Gesellschaftsseite macht, darf nicht ungesellig sein.«
»Und jetzt stellen wir uns alle für ein hübsches Foto im Chronicle auf«, kommandierte Margaret, die gleich darauf eine Gruppe älterer Damen zusammengetrieben hatte, die in ihren eleganten Blazern schwitzten.
Rosemary hob die Kamera und ließ ihr Auge über die Frauen wandern. Ihre Mutter posierte vorn in der Mitte der Gruppe wie eine blonde Jackie Onassis. Klick. Rosemary griff zu Stift und Notizblock, um sich hastig zu notieren, wer auf dem Foto war. Wie die Namen geschrieben wurden, brauchte sie nicht zu
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