Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
dass sie Rousie nicht zu sich her pfeifen konnte, außerdem hatte sie keine Ahnung, wo er war. Flach an Snowgums Hals gepresst, ritt sie das Flussbett entlang und spürte immer wieder kühle Wasserspritzer an ihren Beinen, während über ihnen das Feuer tobte. Tief hängende Äste zerkratzten ihr den Rücken. Herabsegelnde Glutstücke verbrannten ihre Haut.
Emily hatte keine Ahnung, wie lange sie so unterwegs war. Das Gesicht gegen den verschwitzten Nacken der Stute gepresst, spürte sie nur noch, wie Snowgum sich unter ihr bewegte. Sie roch, wie ihr feuchter Hut zu schmauchen begann, und hörte Snowgum angestrengt ächzen, wenn sie über große Steine im Fluss steigen musste. Emily krallte sich so ängstlich an den Zügeln fest, dass sich ihre Finger in Todesangst verkrampften.
Allmählich kam der Busch um sie herum zur Ruhe. Der Wind ließ nach. Emily konnte immer noch nichts sehen. Die Stute blieb stehen und senkte den Kopf. Emily hörte, wie Bonus neben ihr anhielt und bedächtig schnaubte. Auch er entspannte sich und schien sich zu beruhigen. Als die Pferde wegdösten, begriff Emily, dass sie in Sicherheit waren.
Sie konnte immer noch nichts sehen und hatte keine Ahnung, wo sie waren, doch sie wusste, dass Snowgum sie nach Hause bringen würde. Sie versuchte, Rousie zu rufen, doch ihre Kehle war so zugeschwollen, dass sie keinen Ton herausbrachte. Bald jedoch hörte sie in der tödlichen Stille des verbrannten Buschlandes ein Knacksen, ein Krachen, ein Spritzen und dann wie durch ein Wunder ein Bellen. Rousie brachte die Rinder zu ihr! Emily hörte, wie sie den Fluss durchquerten. Eine Gänsehaut stieg von ihren Beinen auf und brachte ihre Kopfhaut zum Kribbeln.
»Braver Junge«, krächzte sie. »Braver Junge.«
Dann begann sie im Geist, ihre Mädchen zusammenzurufen. »Kommt, kommt, kommt!« Ihre wunderschönen, wunderschönen Kühe waren immer noch bei ihr.
Bridie klopfte an und kam ins Bad.
»Alles okay?«
Emily nickte, und ihre Freundin legte vorsichtig ein kühles Wattepad auf ihre Augen.
»Autsch!«
»Entschuldige.«
Sie sank ins Wasser zurück.
»Willst du es mir erzählen?« Bridies Stimme klang in dem winzigen, dampfigen Badezimmer eigentümlich weit entfernt.
Emily schüttelte den Kopf.
Sie konnte noch nicht in Worte fassen, wie sie von Snowgums Rücken geglitten war und sich gebückt hatte, um sich das Gesicht im Flusswasser zu waschen. Auf dem Wasser schwamm eine dicke Ascheschicht, und sie hatte nur mit Mühe aus ihren verquollenen Augen blicken können. Doch als sie sich über den Fluss gebeugt und das grauweiße Pulver zur Seite geschoben hatte, bildete sich darunter ein Muster. Neugierig sah Emily darauf. Dann stockte ihr der Atem, als sie das Bild erkannte. Es war Evies Gesicht. Sie taumelte zurück und sackte unter der plötzlichen, schrecklichen Erkenntnis zu Boden, dass ihre Freundin von ihr gegangen war.
»O Gott«, hatte Emily mit brechender Stimme geflüstert. »O Gott, Evie, nicht.«
Heulend hatte sie am Ufer gekniet. Rousie war zu ihr gekommen und hatte sich neben sie gelegt, bis sie ihn an ihre Brust gezogen und in seiner Nähe Trost gesucht hatte.
Als Emily nach dem Bad in ihrem flauschigen weißen Bademantel im Kreis ihrer Familie saß und Luke an ihrer Seite spürte, wurde ihre Unterhaltung urplötzlich von einem Windstoß unterbrochen. Er stieß knallend die Tür auf, jagte Bridies Katze von der Couch und ließ Muff die Blätter anbellen, die aufgeregt über den Rasen tanzten.
»Was war das denn?«, rief Sam aus.
»Das war nur Evie«, antwortete Meg. Alle Augen richteten sich auf das kleine Mädchen, das sich ungerührt ein paar Cashewnüsse aus der Schüssel nahm. »Evie mit Jesus Christus.«
Epilog
Beim Mountain Cattlemen’s Get-together am Rose River lagen Luke und Emily träge in der Nachmittagshitze unter ihrem Zwei-Kabinen-Kuppelzelt und sahen den Insekten zu, die auf dem Zeltdach herumkrabbelten. Luke schob seine Finger in Emilys und sah ihr glücklich in die Augen. Sie zeigte mit einem Seufzen, wie sehr sie die Siesta genoss, und lauschte dabei dem beständigen Brummen eines Generators in ihrer Nähe und dem Gekicher von Meg und Tilly in der Kammer nebenan.
Im Fluss neben dem Zelt planschten kreischende Kinder. Sie hörten das tiefe Plopp eines schweren Steines, der ins Wasser geworfen wurde und im Schwimmteich versank. Dann ging dem Generator hustend der Diesel aus, und paradiesische Stille senkte sich über sie.
Jetzt waren auch Snowgum und Bonus zu
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