Vor Agentinnen wird gewarnt
PROLOG
"Sie haben mir nicht zugehört, Leo. Ich kündige. Ich steige aus."
"Das ist doch ein Scherz, nicht wahr? Sie wollen mir nur ein Magengeschwür verpassen. Keine Tricks, Sydney. Sagen Sie mir nur, wann Sie nach Washington zurückkommen, und zwar innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden. Ich brauche Sie für einen Einsatz, der genau auf Ihrer Linie liegt. Das kann niemand so gut wie Sie.
Hören Sie, die Sache ist zu wichtig, als dass Sie jetzt einfach die Kurve kriegen."
Sydney Taylor blickte durch die schmutzige Scheibe der Telefonzelle zu ihrem schwarzen Jeep Cherokee. In ihrem Leben waren nur noch die beiden Kinder wichtig, die ihre Gesichter gegen die Fenster drückten und sie beobachteten, als hätten sie Angst, sie könnte plötzlich verschwinden. Sydney stellte sich ihren Vorgesetzten vor, wie er in einem zerknitterten grauen Anzug hinter dem Schreibtisch saß und auf einer Zigarre kaute.
"Ich komme nicht zurück, Leo. Weder nach Washington noch zum Dienst. Sie mögen es zwar nicht, wenn jemand kündigt, aber wann habe ich jemals getan, was Sie von mir erwartet haben?"
"Nie! Syd, Sie geben mir den Rest!" schrie Leo Birch ins Telefon. Er war der Direktor einer Regierungsdienststelle, die das internationale Verbrechen bekämpfte. "Bei uns kündigt niemand, und das wissen Sie!" Plötzlich schlug er einen lockenden Ton an. "Was möchten Sie denn? Mehr Geld? Kein Problem. Soviel Sie wollen."
Syd schüttelte den Kopf. Leo nutzte die Schwächen seiner Leute aus.
Das wussten seine Agenten. Am bekanntesten war die Geschichte von Chaz Roberts, der ein heißes Wochenende mit der Schauspielerin seiner Träume verbringen durfte. Sydney überlegte, ob sie jemals scherzhaft erwähnt hatte, einen ganz bestimmten Traummann verführen zu wollen.
"Das ist alles kein Problem." Leo holte tief Luft. "Sie können Ihren eigenen Sweet-Treat-Laden haben."
Syd stöhnte. Er hatte voll ihre Schwachstelle getroffen. Die Sweet-Treat-Süßigkeitenläden führten ihre absoluten Lieblingspralinen, und das wusste jeder. Wer immer ihre Hilfe brauchte, musste nur eine Schachtel dieser Pralinen erwähnen, und sie war überredet.
"Großartiger Versuch, Leo. Trotzdem - nein, danke. Ich muss mich jetzt um zwei Kinder kümmern." Ihr Neffe und ihre Nichte brauchten sie mehr als die Agentur.
"Denken Sie, ich hätte kein Herz und keine Gefühle? Vielleicht glauben Sie es nicht, Syd, aber in meinen Adern fließt Blut. Adern, die ich mir wahrscheinlich Ihretwegen aufschneiden muss. Sie brauchen sich wegen der Kinder keine Sorgen zu machen, während Sie in Marseilles sind. Meine Sekretärin sucht für die beiden das beste Internat aus. Wir übernehmen auch die Rechnung."
"Leo, die Kinder brauchen kein Internat, sondern Sicherheit. Sie haben ihre Eltern verloren. Jetzt haben sie nur noch mich, und ich sorge dafür, dass sie mich nicht auch noch verlieren. Es muss ständig jemand für sie da sein. Ich schicke Ihnen meine Kündigung schriftlich zu, damit es offiziell ist. Und Sie werden kein Problem haben, mich zu ersetzen."
"Aber ich will keinen Neuling ausbilden, und ich will Ihre Kündigung nicht. Ich will, dass Sie Ihren nächsten Auftrag übernehmen!"
"Nein!"
"Kommen Sie schon, Syd, sogar ich wäre eine bessere Mutter als Sie.
Das liegt Ihnen doch gar nicht."
Syd versuchte, sich den kahlköpfigen Leo vorzustellen, wie er ein Schlaflied sang und dabei auf seiner Zigarre herumkaute. Es klappte nicht.
"Leo, sagen Sie mir nicht, ob mir das liegt oder nicht. Wenn ich eine Bombe entschärfen kann, ohne mir einen Fingernagel abzubrechen, werde ich auch mit zwei Kindern fertig."
Sie hielt den Hörer vom Ohr weg, während ihr Exboss jede Drohung brüllte, die der Menschheit bekannt war, und noch einige neue dazu.
"Sehr phantasievoll, Leo. Niemand kann so schön drohen wie Sie.
Aber sparen Sie sich die Mühe. Ich bin raus aus dem Geschäft."
"Das halten Sie gar nicht aus, und Sie wissen das. Sie brauchen Gefahr und Aufregung wie ein Vampir das Blut."
Bei dem Vergleich verzog sie das Gesicht. "Vielen Dank, Leo. Das überzeugt mich noch mehr, dass ich aussteigen muss, solange ich noch kann. Betrachten Sie es doch so: Sie haben mir immer vorgeworfen, dass ich nie mache, was Sie von mir wollen. Und jetzt beweise ich, dass Sie recht hatten."
"Wir werden Sie aufspüren!"
"Das bezweifle ich. Sie mögen gut sein, aber Sie haben auch immer gesagt, ich wäre besser." Ohne das geringste schlechte Gewissen legte Syd auf.
Sie lächelte den
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