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AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

Titel: AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Gartenstadt
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Rollkragenpullover. Ich habe dunkle, lange Locken, die mein schmales Gesicht umrahmen, einen sehr hellen Teint, grüne Augen und einen rotgeschminkten Mund. Ich bin eine Mischung aus Cher und Sigourney Weaver. Die Dorfausgabe. Ich lächle offen in die Kamera. Ich finde mich schön. Ich bin groß und schlank, ich trage ausgesuchte Kleidung. Männer schauen mir nach, auch wenn ich einen Kinderwagen vor mir her schiebe. Bei meiner Suchanfrage kann ich sogar einstellen, in welchem Punktebereich sich die Männer befinden sollen, die ich gerne kennenlernen möchte. Ich stelle kleiner als drei ein, und ich finde einen Mann mit Hornbrille und schiefen Zähnen. Superkalle, 40. Ebenfalls mit Rollkragenpullover. Als ich seinen Profiltext lese, er ist ein Kioskverkäufer, dem seine Arbeit mit Menschen viel Spaß bereitet und der gerne »Echo der Frau« liest, wird schnell klar, dass sich jemand bei dem Profil einen Scherz erlaubt hat. NA TOLL. Bin ich das weibliche Pendant zu diesem Clown da?
    Oder entspreche ich nicht dem Schönheitsideal von Solarium gebräunten Männern, die sich ihre Haare spitz nach oben geelen, wie die meisten hier?
    Irgendwie ärgert es mich, dass mein Foto hier so schlecht wegkommt. Und ich ärgere mich, dass ich mich darüber ärgere. Eigentlich müsste ich doch da drüber stehen. Aber die Bewertungsfunktion deaktiviere ich dann doch. Wer will schon »Alle finden mich hässlich« als Fotounterschrift? Ich ändere mal meine Suchanfrage auf dunkelhaarige Frauen meines Alters. Ich finde unansehnliche Bikinifotos und Bilder von Frauen, mit denen ich nicht befreundet sein wollte.
    Aber wer zum Teufel hat mich so bewertet? Ich stelle mir vor, wie zwei Studentinnen Nachmittage lang kichernd alle ihre schönen Konkurrentinnen ausschalten, indem sie sich unter falscher Identität einloggen und auf der Plattform ihr Unwesen treiben. Ich tue es ihnen gleich. Manchmal, wenn mir langweilig ist, setze ich mich hin, schaue mir all diese Männer an und klicke immer auf die hässlichsten, um den dummen Algorithmus zu stören. HI, HI.

DAVID
     
    Raste nie,
    doch haste nie!
    Sonst haste die Neurasthenie 49 !
     
    Beim Stöbern auf der Plattform sehe ich zufällig meinen Exmann. HALLO? Was macht der denn hier? Ich klicke auf sein Profil und muss herzlich lachen. Das ist er nicht, aber die Ähnlichkeit ist verblüffend. Auf dem Foto sieht man ihn im Flur einer Altbauwohnung stehen. Er hält einen Aschenbecher in der Hand und raucht mit diabolischem Grinsen. Im Hintergrund die heißgeliebte Kugellampe. Auf dem anderen Foto steht er da im grünen Polohemd und mit schmalen Sonnenbrillengläsern, die ihn, mit seiner hohen Stirn und dem schmalen Kinn, wie ein Alien erscheinen lassen.
     
    Im selben Moment kommt seine E-Mail:
     
    Tonic, 43
    05.08.2012, 12:55 Uhr
     
    Hallöchen,
    ich bin gerade über den kulinarischen Teil Deines Profils gestolpert. Den sollte man nicht nach dem Essen lesen. Hast Du den Teller mit den Algen denn auch brav aufgegessen?
    Neugierige Grüße,
    David
     
    Serendipity, 37
    05.08.2012, 13:07 Uhr
     
    Hallo David,
    als höflicher Mensch, der ich nun mal bin, habe ich mir alle Mühe gegeben, musste dann aber passen.
    Viele Grüße,
    Gill
     
    Tonic, 43
    05.08.2012, 13:16 Uhr
     
    Hallöchen Gill,
    dass Du ein sehr höflicher Mensch bist und noch dazu in ganzen Sätzen antwortest, zeichnet Dich hier aus. Ein Alleinstellungsmerkmal auf Schnappie. Als außergewöhnliches Speiseerlebnis kann ich übrigens nur mit Heuschrecken dienen, die ich mal in Nigeria gegessen habe.
    Gefragte Grüße,
    David
     
    Serendipity, 37
    05.08.2012, 21:36 Uhr
     
    Hallo David,
    was hast Du denn in Nigeria gemacht? Heuschrecken habe ich auch schon mal gegessen, sie schmecken ein wenig nach Röstkastanien und Shrimps. Sie kamen tiefgefroren aus der Tierfutterabteilung vom Zoologischen Garten und wurden in einem Kochseminar an der Uni an Safranreis gereicht.
    Das ist aber ungewöhnlich, hier auf mittelalterlichen Minnesang zu treffen, den Du da auf Deiner Seite zitierst 50 . Das Gedicht kenne ich noch aus meiner Schulzeit. Wo Du schon ohne Fernseher aufgewachsen bist... kannst Du etwa auch Deinen Namen tanzen?
    Kulinarische Grüße,
    Gill
     
    Tonic, 43
    05.08.2012, 22:01 Uhr
     
    Hallöchen Gill,
    eigentlich hatte ich schon für heute der elektronischen Kommunikation entsagt. Aber als ich Deine Nachricht, da ich ja so neugierig bin, gelesen hatte, musste ich doch so sehr schmunzeln, dass ich mein Berufswerkzeug nochmal zum Leben

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