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Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Augenblick und auch nicht später wußte Morgaine, ob Artus sie erkannte. Ihre Blicke trafen sich kurz, dann sagte der König freundlich: »Du möchtest sie also mit nach Hause nehmen. So sei es denn, Mutter! Die Stallburschen sollen dir ein Pferd geben… Zeige ihnen das.« Er drückte ihr einen Ring in die Hand. Morgaine senkte den Kopf und preßte die Augen zusammen, um die Tränen zurückzuhalten. Als sie aufblickte, war Artus gegangen.
    »Komm, ich helfe dir, sie zu tragen«, sagte eine der Frauen, und noch eine bot Hilfe an. Sie trugen Ravens leichten Körper aus der Halle, und Morgaine war versucht, einen letzten Blick auf die Tafelrunde zu werfen. Sie wußte, sie würde sie nie wieder sehen, und sie würde auch nie wieder nach Camelot zurückkehren. Ihre Aufgabe hier war erfüllt. Sie würde nach Avalon gehen… aber allein. Von nun an würde sie immer allein sein.
    10
    Gwenhwyfar beobachtete die Vorbereitungen in der Halle und hörte, wie Bischof Patricius mit sanfter Stimme sagte:
Keiner
kommt zum Vater denn durch mich. Sie blickte den Kelch mit gemischten Gefühlen an und sagte sich:
Dieses schöne Gefäß soll dem Dienst Christi geweiht werden, wie Patricius wünscht. Sogar der Merlin hat sich schließlich zum Kreuz bekehrt.
Aber eine Stimme in ihr beharrte:
Nein, es wäre besser gewesen, es zu zerstören, das Gold zu schmelzen und daraus einen anderen Kelch zu formen, der von Anfang an dem Dienst am wahren Gott geweiht ist. Denn dieser Kelch gehört der Göttin, wie sie sie nennen. Und diese Göttin ist von Anbeginn der Zeit die große Hure und die Feindin Gottes gewesen… Die Priester sagen zu Recht, durch die Frau kam das Böse in die Welt…
    Aber dann dachte sie verwirrt, sicher können nicht alle Frauen böse sein. Selbst Gott hat eine Frau auserwählt, seinen Sohn zu gebären, und Christus versprach seinen Jüngern, ihren Schwestern und ihren Frauen den Himmel…
    Eine wenigstens hat der Göttin abgeschworen.
Gerührt blickte sie zu Nimue hinüber – Elaines Tochter. Sie sah der verstorbenen Gemahlin Lancelots wirklich sehr ähnlich, ja sie war sogar noch schöner, denn sie besaß die lächelnde Fröhlichkeit und die tänzerische Anmut des einst jungen Lancelot. Nimue war so licht und rein! Sie konnte nicht glauben, daß an ihr etwas Böses war, und doch hatte diese junge Frau seit früher Kindheit im Haus der Göttin gelebt, jetzt aber dem falschen Glauben entsagt. Sie war nach Camelot gekommen und hatte sie darum gebeten, niemandem zu erzählen, daß sie in Avalon gewesen war – nicht einmal Bischof Patricius, ja nicht einmal Artus, dem König. Man konnte Nimue nur schwer etwas abschlagen, dachte Gwenhwyfar. Sie hatte gelobt, das Geheimnis der jungen Frau zu wahren.
    Gwenhwyfar blickte an Nimue vorbei zu Patricius, der gerade den Kelch vom Altar nehmen wollte. Und dann…
    … Gwenhwyfar glaubte, einen großen Engel zu sehen, hinter dessen schimmernder Gestalt sich schattenhafte Flügel erhoben. Der Engel nahm den Kelch in beide Hände, der wie ein großer, glänzender Stern strahlte. Er glühte dunkelrot auf, wie ein Rubin, wie ein schlagendes Herz… Nein, er war tiefblau wie der blaue Himmel, und ein Duft wie von allen Rosen in ihrem Garten verbreitete sich. Plötzlich schien ein starker frischer Wind durch die Halle zu brausen, und Gwenhwyfar hatte das Gefühl, sie könne sich von ihrem Sitz erheben, auf die Hügel hinaus laufen, in das weite Land Gottes, das sich unter einem großen, heilenden Himmel ausbreitete. Tief in ihrem Herzen wußte sie, sie würde sich nie mehr davor fürchten, das Gefängnis – Kammer und Halle – zu verlassen. Sie konnte furchtlos unter offenem Himmel über die Hügel wandern, denn Gott beschützte sie, wohin sie auch ging. Sie lächelte. Ungläubig hörte sie sich laut lachen, und das kleine Geschöpf, das früher eingesperrt war, fragte ärgerlich:
Bei der heiligen Messe?
Aber die wirkliche Gwenhwyfar antwortete lachend, obwohl niemand es hörte:
Was bedeutet mir Gott, wenn ich mich nicht an ihm erfreuen kann?
Im Rausch der süßen Düfte und der Freude stand der Engel vor ihr und setzte ihr den Kelch an die Lippen.
    Erschauernd trank sie, senkte die Augen, aber dann spürte sie eine Berührung auf ihrer Stirn. Sie hob den Blick und sah, daß kein Engel vor ihr stand, sondern eine verschleierte Frau mit großen traurigen Augen in einem blauen Gewand. Obwohl sie nichts hörte, sagte die Frau zu ihr:
Ich bin seit Anbeginn der Zeiten, noch ehe es Christus gab.

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