Avalons Geisterschiff
so plötzlich aufgetaucht war. Sie hätte seine Ankunft eigentlich sehen müssen. Doch das war nicht der Fall gewesen. Jetzt lag er hier, als wäre er urplötzlich vom Himmel gefallen.
Sie schwebte noch immer auf der Stelle und wartete ab. Nichts war zu hören. Die Stille lastete tief über dem See. Auch von dem Gegenstand drang kein Laut zu ihr herauf.
So gut wie möglich versuchte sie ihn einzuschätzen. Ein genaues Betrachten, Vermutungen, aber viel brachte es nicht. Sie sah wohl, dass der Gegenstand eine rechteckige Form hatte, aber nicht so kantig wie ein Kasten wirkte, sondern an den Seiten abgerundet war.
Was konnte dort auf dem Wasser liegen?
Die Frage war schnell beantwortet. Es konnte sich nur um ein Boot handeln. Ein Schiff, das allerdings eine beträchtliche Größe hatte und eigentlich hätte auffallen müssen.
Aber es war ihr nicht aufgefallen!
Genau das bereitete ihr Probleme. Sie fühlte sich überrumpelt und an der Nase herumgeführt. Ihr Herz schlug schneller, denn ein Gefühl sagte ihr, dass sie hier etwas entdeckt hatte, das ein Geheimnis sein konnte. Etwas, das man nicht sehen durfte. Neu war ihr das nicht. Oft genug war sie in der Vergangenheit in unheimliche Szenerien hineingeraten. Sogar den alten Kontinent Atlantis hatte sie erlebt.
Und jetzt?
Carlotta zögerte noch. Sie lauschte auf ihre innere Stimme, und die riet ihr, sehr vorsichtig zu sein. Deshalb hielt sie genügend Abstand zur Wasseroberfläche, flog dabei aber ihre Runden. Den am Ufer liegenden Gegenstand ließ sie nicht aus den Augen.
Carlotta blieb gelassen. Ein Gefühl riet ihr, nichts zu überstürzen. Sie konnte sich die Herkunft auch weiterhin nicht erklären. Aber das Ding musste einfach einen Ursprung haben.
Sie ging ein wenig tiefer. Während sie das tat, schaute sie sich um, denn Gefahren konnten überall lauern.
Es war nichts Verdächtiges zu sehen, aber sie glaubte, jetzt eine leichte Bedrohung zu verspüren. Es konnte auch mit der Dunkelheit Zusammenhängen, die sich immer weiter voranschob und das letzte Licht der bereits untergegangenen Sonne verschluckte.
Nur hoch über ihr kreisten einige Vögel. Die Tiere waren zu schwarzen Gesandten geworden, die eine Botschaft weiter in die Ferne trugen.
Die Welt um sie herum war in eine ungewöhnliche Stille versunken. Sie lag bleiern über dem See.
Carlotta flog weiter. Sie ließ sich dabei noch tiefer sinken. Weil es so still war, hörte sie das leise Rauschen ihrer Flügel. Der Wind trieb es an ihren Ohren vorbei.
Plötzlich stockte ihr der Atem.
Sie hatte den Gegenstand jetzt erkannt. Eigentlich hätte er völlig normal sein müssen, das war er auch, aber in ihrem Kopf ging momentan alles durcheinander.
Am Ufer lag ein Boot!
Nein, das stimmte nicht ganz. Es war schon ein Schiff. Aber eines, wie Carlotta es noch nie gesehen hatte, selbst nicht auf alten Bildern. Es war aus Holz gebaut und hatte einen Bug, der Carlotta nur staunen ließ.
Der Rumpf des Schiffes, eigentlich sehr kompakt, verengte sich. Das war normal, aber dann folgte, was Carlotta zum Staunen brachte. Sie sah einen schlanken Hals, der sich in die Höhe rankte und sich an seinem Ende zu einem Kopf verformte. Ein schlanker Kopf mit einem Maul, das aus einem lang gezogenen Ober- und Unterkiefer bestand, eben wie das Maul einer Riesenschlange.
Nein, nicht nur wie. Der Bug des Schiffes wuchs zu einer gewaltigen Schlangengestalt in die Höhe. Dazu passte das offene Maul und auch das Auge, das in einer anderen Farbe gemalt worden war. Carlotta konnte sich vorstellen, dass es rot glänzte.
Sie umflog das Maul in kurzer Distanz. Die Neugierde hatte sie dorthin getrieben. Sie wollte sehen, ob sie sich auch nicht getäuscht hatte. Aber das Bild blieb.
Es kam nicht sehr oft vor, dass Carlotta durcheinander war. In diesem Fall stimmte es. Dieses fremde Schiff mit dem ungewöhnlichen Aussehen lag am Ufer des Sees, ohne dass es sich bewegte. Und das genau empfand sie als das zweite Phänomen.
Es stand auf den Wellen. Die Strömung konnte ihm nichts anhaben. Obwohl es eigentlich hätte wegtreiben müssen.
Ein Segel war gesetzt!
In der Mitte war der blasse Abdruck eines Kreuzes zu erkennen, mit dem Carlotta nichts anfangen konnte. Sie hatte das Gefühl, dass dieses Kreuz nicht zu dem Schiff passte.
Zweimal bewegte sie ihre Flügel, um von der Stelle zu kommen. Sie schwebte lautlos an der Backbordseite entlang und warf einen Blick auf das Deck. Jetzt störte es sie, dass die Dunkelheit so weit
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