Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
Vom Netzwerk:
zusammenzusetzen.
    Es war gut gelungen: Ein Fragment mit Gräsern, einfachen Blatt- und Blütenformen war unter ihren Händen entstanden und sie hatte die Arbeit genossen. Das geduldige Zusammensuchen der passenden Steinchen war eine angenehme Abwechslung gewesen. Jermyn konnte nicht begreifen, was sie daran fand, aber er war mit ihr zu Vitalonga gegangen und hatte geduldig, ohne etwas zu verstehen, den Erklärungen des stummen Kunsthändlers seine Stimme geliehen.
    Vitalonga hatte ihr gezeigt, wie der Untergrund beschaffen sein musste, in den die Steinchen gebettet wurden, und er hatte ihr Zeichnungen mit Vorlagen für die kunstvollen Bilder gegeben. Einige der farbig-glitzernden Bruchstücke lehnten jetzt, mit Mörtel auf Holzplatten geklebt, an den Wänden, darunter ein kleines Fragment mit drei Enten, das sie besonders liebte. War sie so beschäftigt, verschwand Jermyn meistens, um sich mit dem Bullen oder Babitt zu treffen.
    Mit dem Rätsel aber, das nun vor ihr auf dem Tisch ausgebreitet war, kam sie nicht weiter. Dabei war sie sicher, dass es sich lohnen würde, das Geheimnis zu lüften.
    Sehnsüchtig dachte sie an einen Becher Würztee, so heiß, dass man sich Finger und Mund daran verbrannte. Aber damit war es wie mit dem Feuer: Wenn es sie danach verlangte, musste sie sich selbst bemühen, denn offenbar hatte Wag auch Kamante mitgenommen, sonst wäre sie auf Ninians Rufen schon aufgetaucht.
     
    Das Mädchen gehörte schon eine ganze Weile zu ihrem seltsamen Haushalt: Einige Tage nach dem Streit wegen Bysshe war Jermyn die Glasbilha eingefallen, die er bei dem Wettklettern mit Dubaqi gewonnen hatte, und er hatte Wag zum Hafen geschickt, um sie zu holen. Wag blieb lange fort und als er endlich kam, war er nicht allein. Unter dem einen Arm trug er die gläserne Bilha, den Schlauch um den Hals geschlungen, und an der anderen Hand zog er ein so jämmerliches Geschöpf hinter sich her, wie Ninian es noch nie gesehen hatte.
    Wag war sichtlich unbehaglich zumute, aber um seinen Mund lag ein eigensinniger Zug. Jermyns Augen wurden schmal.
    »Was soll das?«, fuhr er den kleinen Mann an, »wozu schleppst du diesen Haufen Lumpen an?«
    Wag zog den Kopf ein, aber er versuchte, mit fester Stimme zu antworten: »Das is kein Haufen Lumpen, das is ’n Mädchen, Patron. Ich hab sie gekauft, unten am Hafen. Du hast gesagt, ich kann mit meim Geld machen, was ich will, un ich brauch immer noch ’ne Hilfe, un du hast gesagt, du willst nur jemanden, der stumm un taub is un die is so gut wie stumm un taub. Der Kerl, der sie verkauft hat, sagte, niemand kann sie verstehn un meistens spricht sie auch überhaupt nich, vielleicht is sie ja sogar stumm, un er hat nich viel für sie verlangt, weil se so dünn un hässlich is un niemand sie haben wollte. Bitte, Patron ...«
    Seine Stimme überschlug sich, flehend hob er die Hände, aber unter Jermyns Blick verstummte er.
    »Du hast sie gekauft? Ohne mich zu fragen? Du bist wohl übergeschnappt, Idiot! Ich hab’ dir gesagt, ich will niemanden hier haben und schon gar nicht so was. Hilfe - die ist doch nur Haut und Knochen und kurz vorm Abkratzen. Du bringst die zurück, und zwar auf der Stelle. Verschwinde!«
    Jermyn wandte sich ab, die Sache war für ihn erledigt.
    »Nee, Patron, das mach ich nich!«
    Umständlich setzte Wag die Bilha auf den Boden und stellte sich schützend vor das Wesen, das teilnahmslos vor sich hin starrte.
    Jermyn drehte sich ungläubig um und Wag wich vor der Wut in den schwarzen Augen zurück. Rote Flecke erschienen auf seinen mageren Wangen, aber er schob trotzig das Kinn vor.
    »Ich bring sie nich zurück!«, schrillte er. »Sie gehört mir und ich will sie behalten. Du hast die Patrona un ich will auch nich allein sein. Nee, ich bring sie nich zurück, da kannste machen, was de willst!«
    Jermyn trat dicht an ihn heran. »Ach, ja?«, sagte er leise, »du weißt genau, dass du alles machst, was ich will, nicht wahr?«
    Wag wurde blass, aber er hielt dem Blick stand, auch wenn ihm der Schweiß auf der Stirn stand.
    Während des ungewöhnlichen Streits hatte Ninian die Augen nicht von dem mitleiderregenden Geschöpf wenden können. Hätte Wag es nicht als Mädchen bezeichnet, wäre nicht zu sagen gewesen, was für ein Wesen sich unter den schmutzstarrenden Lappen verbarg. Ihre Hautfarbe, dunkler noch als LaPrixas, war durch Dreck und Krankheit zu Grau verblichen, die ausgemergelten Glieder glichen dürren Stöcken, an denen Ellenbogen und Knie wie Knoten

Weitere Kostenlose Bücher