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Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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setzte sich zusammen aus zufälligen Bruchstücken im Gedächtnis haften gebliebener Literatur, wenn mir sonst nichts einfiel, was ich niederschreiben konnte. Ich schrieb absichtlich so unlesbar wie möglich, aber so, daß die Zeichen noch immer als Schrift erkennbar waren, denn ich wußte sehr wohl, daß er sich höchstwahrscheinlich das Ergebnis ansehen würde, ehe er mit seinem Experiment begann, und es war nicht schwer zu erraten, wie er auf augenfälligen Unsinn reagieren würde. Das war eine entsetzliche Prüfung, und ich ärgerte mich jede Sekunde über das Schneckentempo des Zuges. Früher hatte ich mir oft einen fröhlichen Galopp zu dem munteren »Ratata« der Räder auf den Schienen gepfiffen, aber jetzt schien das Tempo zu dem eines Leichenzuges
    herabgesunken zu sein - und zwar meines Leichenzuges, wie es mir grimmig durch den Kopf ging. Meine List funktionierte, bis ich mehr als vier Seiten DIN A4 bedeckt hatte. Dann zog der Verrückte zu guter Letzt seine Uhr und sagte mir, ich hätte nur noch fünf Minuten. Was sollte ich noch anstellen? Ich machte mich hastig daran, so zu tun, als schlösse ich mein Testament ab, als mir eine neue Idee kam. Ich hörte schwungvoll auf und reichte ihm die fertigen Blätter, die er achtlos in die linke Manteltasche steckte. Dabei erinnerte ich ihn an meine einflußreichen Freunde in Sacramento, die sich sehr für seine Erfindung interessieren würden.
    »Gehört sich doch, daß ich Ihnen ein Empfehlungsschreiben mitgebe«, sagte ich. »Vielleicht sollte ich auch eine signierte Skizze und Gebrauchsanweisung für Ihre Hinrichtungsmaschine beifügen, damit man Sie freundlich empfängt? Die Leute können Sie berühmt machen, müssen Sie wissen - und es besteht überhaupt kein Zweifel, daß man Ihre Methode im Staat Kalifornien anwendet, wenn man von ihr durch jemanden wie mich hört, den man kennt und dem man vertraut..
    Ich schlug diesen Weg auf die Chance hin ein, daß ihn seine Vorstellung vom verkannten Erfinder die aztekischreligiöse Seite seines Wahns für eine Weile vergessen lassen würde. Falls er wieder darauf zurückkäme, ^überlegte ich mir, würde ich ihn mit »Offenbarungen« und »Prophezeiungen.
    überraschen. Mein Plan funktionierte, denn seine glühenden Augen verrieten eifrige Zustimmung, auch wenn er mir brüsk befahl, mich zu beeilen. Er räumte den Koffer noch weiter aus und holte eine seltsam aussehende Masse von gläsernen Zellen und Windungen hervor, die mit dem Draht, der von der Kapuze abging, verbunden waren. Dabei schoß er eine Salve von Bemerkungen auf mich ab, die zu fachmännischer Natur waren, als daß ich ihnen hätte folgen können, die aber völlig plausibel und logisch wirkten. Ich tat so, als notierte ich alles, was er sagte, und fragte mich dabei, ob der seltsame Apparat vielleicht nicht doch eine Batterie war. Würde ich einen leichten Schlag verspüren, wenn er die Vorrichtung einschaltete? Der Mensch redete zweifellos, als wäre er wirklich Elektriker. Die Beschreibung seiner Erfindung war eindeutig etwas, was ihm lag, und ich erkannte, daß er nicht mehr so ungeduldig war wie zuvor. Die hoffnungsvolle Morgenröte schimmerte durch die Fenster, ehe er fertig war, und ich spürte schließlich, daß meine Chance zur Flucht greifbar nahe war.
    Aber auch ihm entging die Morgenröte nicht, und er setzte wieder seinen wilden Blick auf. Er wußte, daß der Zug um fünf in Mexico City eintreffen sollte, und würde bestimmt eine rasche Entscheidung erzwingen, wenn es mir nicht gelänge, sein Urteilsvermögen mit verführerischen Ideen auszuschalten.
    Als er sich mit entschlossener Miene erhob und die Batterie auf den Sitz neben den offenen Koffer legte, erinnerte ich ihn daran, daß ich die notwendige Skizze noch nicht angefertigt hatte. Ich bat ihn, den Kopfteil zu halten, damit ich daneben die Batterie zeichnen konnte. Er kam dieser Aufforderung nach und setzte sich, wobei er mich wiederholt mahnte, mich zu beeilen.
    Nach einem weiteren Augenblick hielt ich inne, um
    Informationen zu erbitten. Ich fragte ihn, wie das Opfer für die Hinrichtung placiert werden und wie man seinen vermutlichen Widerstand überwinden würde.
    »Kein Problem«, erwiderte er, »der Verbrecher ist fest an einen Pfahl angebunden. Es spielt keine Rolle, wie sehr er den Kopf hin und her wirft, denn der Helm sitzt fest und zieht sich noch fester zusammen, wenn der Strom eingeschaltet wird. Man dreht allmählich am Schalterman sieht ihn hier, eine sorgfältig

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