Five Stars - Gefaehrliche Versuchung
Eins
Eines Tages werde ich Katja umbringen.
Für einen Moment fürchtete ich, den Satz nicht nur gedacht, sondern ausgesprochen zu haben. Ich blickte mich um, aber alle saßen vor ihren Monitoren und waren in die Arbeit vertieft. Katja warf mir ein Dutzend Blätter Papier auf den Schreibtisch.
»Unbrauchbar. Absolut.«
Sie sprach es abgehackt aus wie immer. Un-brauch-bar. Es klang genauso hart, wie das Klacken ihrer Pfennigabsätze auf dem Holzfußboden des Großraumbüros der Agentur.
»Unsere Präsentation muss diesen Mister Mattis von den Socken holen.« Sie tippte mit einem langen, dunkelrot lackierten Fingernagel auf die Stapel. »Das hier ist nur kalter Kaffee. Wir brauchen etwas, das ihn besoffen macht.«
Katjas Metaphern liefen schon immer gerne aus dem Ruder, die Texter wussten ein Lied davon zu singen. Ich raffte den Stapel Papier zusammen und riskierte einen ersten Blick. Oh je! Rote Striche, grünes Gekrakel, jede Menge Eingekreistes und Durchgestrichenes. Von den mühsam in den letzten Tagen zusammengestellten Präsentationen blieb nicht viel übrig. Anscheinend hatten Katjas Ideen dem Chef nicht sonderlich gefallen. Ehrlich gesagt wunderte mich das nicht. Originalität war noch nie ihre Stärke, und von Social-Media-Kommunikation verstand sie noch weniger. Dabei ging es genau darum. Die »Königskinder« - Nils König, Chef und Gründer der Werbeagentur war immer noch stolz auf den Namen, den er seiner Firma vor über zehn Jahren gegeben hatte - bewarben sich um den Auftrag für das Internetmarketing einer Firma namens »Five Stars Hospitality«. Onlinemarketing war das große Thema in der Branche. Es herrschte so etwas wie Goldgräberstimmung, nur hatte König es bisher verpasst, seine Claims abzustecken. Allerdings kam die Ausschreibung von »Five Stars« zur Unzeit, denn alle Mitarbeiter waren voll und ganz mit der neuen Kampagne von »Ambra Moda« beschäftigt, dem größten und wichtigsten Kunden.
Katja zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich.
»Mein Flieger geht morgen Nachmittag.« Sie schaute auf ihre Armbanduhr, eine, wie ich fand, äußerst wichtigtuerische Geste. »Spätestes morgen um elf Uhr musst du mir die neuen Charts vorlegen.«
Herrje! Ich blätterte in den Unterlagen. Einige Statistiken mussten völlig neu berechnet werden, für manche Behauptungen mussten Belege gefunden werden und ein paar knackige Zitate von bekannten Persönlichkeiten würden auch nichts schaden. Der gemütliche Videoabend mit Viktor war gestrichen. Wobei ich das kaum bedauerte, denn er würde mit Sicherheit einen Actionstreifen anschleppen, bei dem sich mir der Magen umdrehte. Seufzend raffte ich die Papiere zusammen. Katja sah mich herausfordernd an.
»Nun stöhn hier mal nicht rum, Violetta. Du kannst dich ab morgen ausruhen, während König und ich uns den Arsch für die Firma aufreißen.«
»Da gibt es leider eine kleine Änderung.«
Wir hatten beide nicht gemerkt, dass der Chef den Raum betreten hatte. Katja sprang auf und der Stuhl rutschte quietschend über den Fußboden. Sie richtete sich zu voller Größe auf, drückte den Rücken durch und damit ihre Brüste nach vorne, deren Standfestigkeit nach Meinung aller Frauen dem Geschick eines Chirurgen zu verdanken waren. Die Männer sahen das natürlich anders, wahrscheinlich war es ihnen egal, hauptsache groß und prall. Bildete ich mir das ein, oder starrte König wirklich darauf? Es gab viel Gerede in der Agentur, dass er ein Verhältnis mit Katja hatte. Angeblich seien sie sich auf der Weihnachtsfeier nahe gekommen und hätten sie in einem kleinen aber umso feineren Hotel in der Nähe ausklingen lassen. Wie dem auch sei, in der Öffentlichkeit war König stets auf Distanz bedacht, was Katja, wie mir schien, nicht sonderlich gefiel. Der Chef war eine gute Partie, seit einem Jahr Witwer und Vater eines wohlgeratenen, fünfjährigen Sprösslings. Genau der stellte sich jetzt allerdings als Problem heraus.
»Lukas hat eine Blinddarmentzündung. So wie es aussieht, wird er noch heute Abend operiert. Ihr werdet verstehen, dass ich hierbleiben muss.«
Katja presste die Luft, die sie anscheinend angehalten hatte, mit einem seltsamen Zischen heraus. »Und jetzt?« sagte sie so laut, dass alle Anwesenden die Köpfe hoben. Vermutlich machten sich einige Hoffnung, mit auf die Reise zu gehen. »Five Stars« hatte die Agenturen, die noch im Wettbewerb um den Etat für die Onlinekampagne waren, zur Präsentation auf eine Seychelleninsel
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