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Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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zum großen Salon im Süden durch, wo die Porträts hängen mußten, wie ich wußte.
    Dort waren sie auch, genauso wie V-- es berichtet hatte, und wie ich mich offenbar aus einer dunklen Quelle zu erinnern schien. Einige waren so geschwärzt und staubbedeckt, daß ich wenig oder gar nichts ausmachen konnte, aber an denen, die ich erkennen konnte, sah ich, daß sie tatsächlich die hassenswerte Ahnenreihe der van der Heyls darstellten. Einige der Gemälde schienen Ähnlichkeit mit Gesichtern zu haben, die ich gekannt hatte, aber welche Gesichter genau, daran konnte ich mich nicht erinnern.
    Die Umrisse des erschreckend anmaßenden Joris - zur Welt gebracht 1773 von Dircks jüngster Tochter waren am deutlichsten, und ich konnte die grünen Augen und den Schlangenblick in seinem Gesicht erkennen. Jedesmal, wenn ich die Taschenlampe ausschaltete, schien das Antlitz im Dunklen zu glühen, bis mir fast so war, als leuchte es mit einem schwachen, grünlichen Eigenlicht. Je länger ich es betrachtete, desto böser schien es zu sein, und ich wandte mich ab, um dem Wahn zu entgehen, sein Ausdruck wechsle.
    Dasjenige aber, dem ich mich zuwandte, war noch schlimmer.
    Das lange, mürrische Gesicht, die kleinen, eng
    zusammenliegenden Augen und schweineähnlichen Züge ließen sofort erkennen, wer es war, auch wenn sich der Künstler bemüht hatte, den Rüssel so menschlich wie möglich zu machen.
    Das war es, wovon V-- geflüstert hatte. Als ich es entsetzt anstarrte, war mir, als würden die Augen einen rötlichen Schein annehmen, und einen Augenblick lang schien der Hintergrund durch eine fremdartige und anscheinend nicht dazugehörende Landschaft ersetzt zu sein - ein einsames, düsteres Moor unter einem schmutziggelben Himmel, auf dem ein erbärmlich aussehender Schlehdornbusch wuchs. Um meine geistige Gesundheit fürchtend, stürzte ich aus der verfluchten Galerie in den vom Staub gesäuberten Winkel oben im ersten Stock, wo ich mein »Lager« aufgeschlagen habe.
    Später Beschloß, einige der labyrinthischen Flügel des Hauses bei Tageslicht zu erkunden. Ich kann mich nicht verirren, denn meine Fußspuren sind in dem knöcheltiefen Staub deutlich erkennbar, und wenn notwendig, kann ich andere Kennmarken anbringen. Es ist merkwürdig, wie rasch mir die Windungen des Flurs vertraut werden. Ich folgte einem langgestreckten nördlichen »L« bis ans Ende und gelangte an eine versperrte Tür, die ich aufbrach. Dahinter lag ein kleines Zimmer, das mit Möbeln vollgestopft war und dessen Paneele vom Holzwurm zernagt waren. An der Außenwand erspähte ich einen schwarzen Raum hinter dem verfaulenden Holzwerk und entdeckte einen engen Geheimgang, der nach unten in unbekannte,
    nachtschwarze Tiefen führte. Es war eine steil abfallende Rutsche oder ein Tunnel ohne Stufen oder Handgriffe, und ich fragte mich, welchem Zweck er wohl gedient hatte.
    Über dem Kamin hing ein vermodertes Gemälde, das ich bei näherer Betrachtung als das einer jungen Frau in der Kleidung des späten achtzehnten Jahrhunderts erkannte. Das Gesicht war von klassischer Schönheit, zeigte jedoch den teuflischsten Ausdruck, den ich je in einem menschlichen Antlitz erblickt habe. Nicht bloß Zynismus, Gier und Grausamkeit, sondern eine Eigenschaft, entsetzlich, über jedes menschliche Verständnis hinaus, schien in diesen sehr schöngeschnittenen Zügen zu liegen. Und bei der Betrachtung kam es mir so vor, als habe der Künstler - oder die langsamen Prozesse des Moders und Verfalls
    - der bleichen Gesichtsfarbe einen krankhaften Stich ins Grüne verliehen und die Andeutung einer beinahe schuppenähnlichen Beschaffenheit. Später stieg ich zur Dachkammer hinauf, wo ich mehrere Kisten mit seltsamen Büchern fand - viele davon von gänzlich fremdartigem Aussehen, sowohl was die Buchstaben wie die äußere Form anging. Eines enthielt Spielarten der Aklo-Formel, von deren Existenz ich keine Ahnung gehabt hatte. Die Bücher in den staubigen Regalen unten habe ich mir noch nicht vorgenommen.
    19. April Es gibt hier zweifellos unsichtbare Wesen, auch wenn der Staub außer meinen eigenen keine anderen Fußspuren zeigt. Bahnte mir gestern einen Pfad durch das Dorngestrüpp zum Parkeingang, wo meine Vorräte abgelegt werden, aber an diesem Morgen fand ich ihn zugewachsen. Höchst merkwürdig, weil sich in den Büschen kaum noch der Saft des Frühlings regt.
    Wiederum hatte ich die Empfindung, etwas so Kolossales sei nahe, daß es die Gemächer kaum fassen. Diesmal spürte

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