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Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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derselben höllischen Schönheit wie das Bild in dem kleinen verschlossenen Raum. Einige ähneln keinem Porträt, das ich je gesehen habe, erwecken in mir aber das Gefühl, daß ihre gemalten Züge nicht erkennbar unter Moder und Ruß der Gemälde lauern, die ich nicht zu deuten vermag. Einige wenige, befürchte ich verzweifelt, sind der Materialisierung in feste oder halbfeste Form nahe - und einigen eignet eine furchtbare und unerklärliche Vertrautheit.
    Es gibt da eine Frau, die an Lieblichkeit alle anderen übertrifft. Ihre verhängnisvolle Anziehung gleicht einer giftigen Blüte voller Nektarsium, die am Abgrund der Hölle wächst.
    Wenn ich sie genau ansehe, verschwindet sie, nur um später erneut zu erscheinen. Ihr Angesicht hat eine grünliche Färbung, und ab und zu kommt es mir vor, als könne ich ein Anzeichen von Schuppen auf der glatten Hautfläche erspähen. Wer ist sie?
    Ist sie jenes Wesen, das vor einem Jahrhundert oder noch früher in dem kleinen Raum gewohnt haben muß? Meine Verpflegung wurde wieder im Eingangsflur zurückgelassen - das scheint eindeutig der Brauch zu sein. Ich hatte etwas Staub verstreut, um Fußspuren festzuhalten, aber an diesem Morgen war der ganze Flur von unbekannter Hand gefegt worden.
    22. April Heute war ein Tag grauenvoller Entdeckungen. Ich habe von neuem die spinnwebenverhangene Dachkammer durchsucht und fand eine geschnitzte, verfallende Kiste -
    eindeutig aus Holland -, gefüllt mit gotteslästerlichen Büchern und Schriften, weit älter als alle, die ich hier bisher angetroffen habe. Da gab es ein griechisches Necronomicon, ein normannischfranzösisches Livre d'Eibon und eine Erstausgabe des De Vermis Mysteriis des alten Ludvig Prinn. Das alte gebundene Manuskript war jedoch das allerschlimmste. Es war in Küchenlatein, geschrieben in der seltsamen, zittrigen Handschrift des Claes van der Heyl, offensichtlich das Tagebuch oder Notizheft, das er zwischen 1560 und 1580 führte. Als ich die geschwärzte silberne Spange löste und die vergilbten Blätter öffnete, flatterte eine farbige Zeichnung heraus das Ebenbild eines Ungeheuers, das einem Tintenfisch vor allem ähnelte, mit Schnabel und Tentakeln, riesigen gelben Augen und in den Umrissen von einer gewissen abscheulichen Ähnlichkeit mit der menschlichen Gestalt war.
    Nie zuvor hatte ich eine so ekelerregende und alptraumhafte Gestalt gesehen. Auf Pfoten, Füßen und Kopfsaugarmen befanden sich merkwürdige Krallen - sie erinnerten mich an die ungeheuren Schattenformen, die so entsetzlich auf meinem Weg herumgetastet hatten -, während das Wesen als Ganzes auf einem riesigen thronähnlichen Piedestal saß, das mit unbekannten Hieroglyphen vage chinesischen Aussehens beschriftet war. Über Schrift und Bild lag ein Hauch abgefeimten Bösens so tief und durchdringend, daß ich mir nicht vorstellen konnte, es sei das Produkt einer einzigen Welt oder eines einzigen Zeitalters. Vielmehr mußte diese monströse Form der Brennpunkt alles Bösen im unbegrenzten Weltraum sein, in allen vergangenen und künftigen Äonen - und diese
    gespenstischen Symbole waren wohl abscheuliche Ikonen, ausgestattet mit einem morbiden Eigenleben, bereit, sich vom Pergament loszureißen, um den Leser zu vernichten. Was die Bedeutung dieses Ungeheuers und dieser Hieroglyphen anging, hatte ich keinen Fingerzeig, doch wußte ich, daß beide mit einer höllischen Präzision und für keinen nennbaren Zweck verfertigt worden waren. Als ich die höhnisch lachenden Buchstaben studierte, wurde mir ihre Verwandtschaft mit den Symbolen auf jenem ominösen Schloß im Keller immer deutlicher. Ich ließ das Bild in der Dachkammer, denn niemals hätte ich mit so etwas in der Nähe einschlafen können.
    Den ganzen Nachmittag und Abend las ich in der Handschrift des alten Claes van der Heyl; und was ich las, wird jeden Lebensabschnitt, der vor mir liegt, mit Grauen umwölken und mit Grauen erfüllen.
    Die Entstehung der Welt und früherer Welten entfaltete sich vor meinen Augen. Ich erfuhr von der Stadt Shamballah, die
    'von den Lemuriern vor fünfzig Millionen Jahren errichtet worden war, doch noch immer unzerstört hinter der Mauer psychischer Kraft in der östlichen Wüste steht. Ich erfuhr vom Book ofDzyan, dessen erste sechs Kapitel älter sind als die Erde, und das bereits alt war, als die Herren der Venus in ihren Schiffen aus dem Weltraum kamen, um unseren Planeten zu zivilisieren. Und schriftlich festgehalten fand ich zum ersten Mal den Namen, von

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