Babel 1 - Hexenwut
die Magie nicht vergiftet oder so, ich meine, es ist nicht wie bei holländischen Tomaten, wo man nicht weiß, wie sich die Genveränderung auf den Organismus auswirkt.«
»Gibt es Langzeitstudien über magisch veränderte Lebensmittel?«, fragte er und feixte.
Sie stemmte die Hände in die Hüfte und sah entnervt auf die Hündin. »Von mir aus, dann behalt den Knochen eben. Vielleicht wirkt der Zauber ja auch, wenn du nur ein bisschen daran herumnagst.«
Sie wandte sich Tom zu, der sie konzentriert beobachtete. In ihrem Inneren beruhigte sich der Endorphinwirbel ganz langsam. Sam war vom Grundstück verschwunden. Nachdem sie einen letzten Blick auf die Straße geworfen hatte, zog sie Tom zum Haus.
Auf der Schwelle zögerte er. Ungeduldig winkte sie ihn herein. »Das ist keine Folterkammer. Stell dich nicht so an! Es wird dich schon nichts anfallen.«
Ganz schien er davon jedoch nicht überzeugt, wahrscheinlich hatte er noch nie einen Fuß in das Haus einer Hexe gesetzt. Wer wusste schon, was ihn dort erwartete.
»Ich habe keine Schrumpfköpfe in der Küche hängen oder so, falls du das befürchtest.«
Als er endlich eintrat, war Babel ein bisschen erleichtert. Neugierig ließ er den Blick über den Flur schweifen.
»Siehst du, alles wie bei anderen Leuten auch.«
»Wir werden sehen.«
Kopfschüttelnd ging sie ins Wohnzimmer und deutete dort auf Peking. »Da. Das ist dein Paket, nehme ich an.«
Besorgt hockte sich Tom vor Peking hin, der wie ein Häufchen Elend auf der Couch saß und vor sich hin starrte. »He«, sagte er, aber von dem anderen Plag kam keine Reaktion. Auch als Tom ihm die Hand aufs Knie legte, rührte sich Peking nicht. Er hatte sich offenbar ganz in seine eigene Welt zurückgezogen, in die sie ihm nicht folgen konnten.
Tom fuhr sich durch die Haare und atmete tief durch. Entschuldigend sagte er: »Es tut mir leid, dass er dich so überfallen hat. Ich weiß wirklich nicht, was er hier wollte.«
»Schon okay.« Sie wollte ihm nicht sagen, dass er sie vor Sam gewarnt hatte, denn sobald sie seinen Namen aussprechen würde, stünde er zwischen ihnen, als wäre er noch im Raum.
Leise sprach Tom auf Peking ein, vielleicht war es auch Gesang, sie verstand ihn nicht, und irgendwie hatte sie auch das Gefühl, dass es sie nichts anginge. Das war eine Sache zwischen den Plags. Stattdessen schaute sie aus dem Fenster und beobachtete Urd dabei, wie sie durch den Garten hetzte, auf der Jagd nach Gott weiß was.
Als sich Tom erhob und auf sie zukam, schreckte sie zusammen, so sehr war sie in Gedanken versunken gewesen. Dicht neben ihr blieb er stehen. Er wirkte erschöpft, und die Anspannung ging von ihm aus wie Wellen.
»Wir verlieren ihn«, flüsterte er, und selbst ein Idiot hätte sehen können, was er meinte. Pekings Verbindung zum Leben bestand nur noch aus einem dünnen Faden. Die meiste Zeit sprach der Plag in Rätseln, seine Gedanken waren ein Wirrwarr, das niemand entknoten konnte, und in seinem Blick lag keine Klarheit. Für Tom musste Pekings Anblick auf ihrer Couch eine ganze Gefühlslawine lostreten.
»Du kannst ihm nicht helfen«, sagte sie leise, aber er schüttelte den Kopf.
»Ich ...«
Sie legte ihm die Hand auf die Brust. Unter ihren Fingerspitzen pochte sein Herz so heftig wie ihres noch kurz zuvor. Sie wollte ihn trösten. Ihm nahe sein. Sie konnte die Last, die er auf den Schultern trug, spüren, und auch den verzweifelten Wunsch, seine Leute zu schützen. Pekings Dahindämmern musste ihn hart treffen. Er war ein Mann, der Sachen nicht einfach geschehen lassen konnte. Der sich gegen Widrigkeiten stemmte, auch wenn es leichter wäre, sich ihnen zu ergeben. Wenn Menschen wie Tom, die sich bis zum Schluss verantwortlich fühlten, aufgaben, dann blieb wenig Hoffnung. Aber genau die brauchten sie jetzt alle so dringend.
Ohne zu wissen, was sie da eigentlich tat, legte sie ihm die Hand in den Nacken und zog seinen Kopf zu sich herunter. Die letzten Auswirkungen von Sams Anwesenheit konnte sie noch im Blut spüren, aber das schien auf einmal keine Rolle zu spielen.
Einen Herzschlag lang sah er ihr in die Augen, forschte in ihrem Gesicht, dann schloss er die Arme um sie. Der Geruch nach Moos hüllte sie ein, als sie sich gegen ihn lehnte und die Augen schloss. Seine Lippen berührten ihr Haar.
Wie seltsam, diese Vertrautheit zu fühlen, trotz der kurzen Zeit.
Es war schön, wieder einen anderen Menschen zu spüren. Zu lange hatte sie darauf verzichtet.
Ich habe dir doch gesagt,
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