Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
erkennen, dass es mal ein Kürbis war.«
»Sehr witzig.«
Sie ließ ihn in der Küche stehen und stieg wütend in den Keller, um den Goldschmuck zu holen, der in den letzten Tagen so häufig zum Einsatz gekommen war. Jetzt kam er ihr schwer vor, als sie ihn anlegte. Beunruhigt betrachtete sie den Ring an ihrem Finger, dessen Spitze bedrohlich nach oben ragte.
Irgendwann in der näheren Zukunft würde er zum Einsatz kommen – und mit ihm ihr Blut.
Dann ist alles verloren, was du dir in den letzten Jahren so mühsam erarbeitet hast. Die unzähligen Montagstreffen, alles für die Katz.
Das durfte nicht passieren.
Behalt einfach die Kontrolle.
»Nett hast du es dir hier eingerichtet.«
Sie wirbelte herum. Sam stand lässig an den Türrahmen gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, genau so, wie er es in der Küche schon getan hatte.
Mit wenigen Schritten war sie bei ihm, die Hand panisch auf seine Brust gelegt, aber an seinem Energienetz hatte sich nichts verändert. Der Fluch an der Kellertür hatte keine Auswirkungen auf ihn gehabt.
Das Rauschen in ihren Ohren machte sie für ein paar Herzschläge lang taub. Erst als sie ihren Atem wieder hören konnte, sagte sie aufgebracht: »Mein Gott, bist du verrückt? Du weißt doch, dass ich das Magiezimmer absichere!«
»Offenbar sieht die Magie da keinen Unterschied zwischen mir und dir.« Er grinste, während sie ihn fassungslos anstarrte.
War er sich ihrer Verbindung wirklich so sicher, dass er ihre Flüche riskierte, nur um ihr das zu beweisen?
Durch die Verbindung zu ihr sah das magische Netz des Hauses Sam wohl als einen Teil von ihr. Das hatte sie nicht vorhergesehen. Verärgert wollte sie sich abwenden, aber auf einmal zog er sie heftig an sich, schlang die Arme um sie und legte die Stirn an ihre. »Na los, gib’s schon zu.«
»Ich gebe gar nichts zu.«
»Feigling«, flüsterte er, dann küsste er sie heftig, drängte sie an die Wand und ließ sie erst wieder los, als sie ihn in die Unterlippe biss.
»Dafür haben wir keine Zeit.« Entschlossen löste sie sich von ihm und stieg die Kellertreppe nach oben. Dass er in ihrem Rücken grinste, wusste sie. Und sie kannte auch den Grund dafür.
Als er sie geküsst hatte, waren mehr als nur ein Dutzend Herzschläge vergangen, bis sie ihn gebissen hatte …
19
Mit Sams dunkelblauem Audi fuhren sie in den Westen der Stadt. Während der Fahrt berichtete Babel ihm die neusten Erkenntnisse des Falls, damit sie nicht über sich reden mussten. Je mehr sie erzählte, desto mehr runzelte er die Stirn. Aufgrund seiner eigenen Herkunft und der Beziehung zu Babel kannte er sich mit dem alten Wissen und den Hexengepflogenheiten sehr gut aus. Es war nicht schwierig für ihn, die Gefahr zu erkennen, die sich am Horizont zusammenbraute.
Wütend schlug er mit der flachen Hand gegen das Lenkrad. »Verdammt, Babel, du hättest mir längst Bescheid geben sollen! Wenn eine andere Hexe Dämonen auf dich jagt, kannst du Hilfe gebrauchen.«
»Und selbstverständlich hättest du uneigennützig deine Hilfe angeboten.«
»Ich hätte keinen Sex als Gegenleistung erwartet, falls du das meinst.« Er klang fast beleidigt.
Babel legte den Kopf an die Scheibe. Draußen huschten die Häuserfronten an ihnen vorbei und verschwammen zu einem grau-braunen Streifen. Doch die Büsche davor zeigten erste Knospen, die Blüte war in vollem Gang, und bald würde sich die Stadt in einen grünen Mantel hüllen und die Luft nach Bärlauch riechen.
Die Zeitung hatte ihre Räume in einer ehemaligen Spinnerei eingerichtet, die in einem belebten Viertel am Fluss stand. Es war ein sanierter Klinkerbau, dessen massige Form einen weiten Platz bestimmte, der von zwei Alleen gesäumt wurde. Das Einzige, was darauf hindeutete, dass sich hinter dem Gemäuer eine Redaktion verbarg, war der große Glasschaukasten vor dem Eingang, in dem die Bögen der aktuellen Ausgabe der Zeitung aushingen.
Karls Beschreibung als Käseblatt traf es ganz gut. Die Nachrichten aus aller Welt beschränkten sich meistens darauf, die Neuigkeiten des vergangenen Tages noch einmal aufzubereiten, als bestünde die Leserschaft ausschließlich aus Leuten, die gerade aus dem Urlaub zurückkamen und daher etwas verpasst hatten. Seit Längerem hegte Babel den Verdacht, dass die Redakteure häufiger auswerteten als selbst recherchierten.
Sie parkten gegenüber dem Gebäude, blieben aber im Wagen sitzen. Mit dem Handy rief Babel in der Redaktion an, die sie mit Friedrich Neumann
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