Baccara Exklusiv Band 98
„Dieser Raum ist privat“, antwortete er nach einem Zögern. Was Lilly nicht wissen konnte, war, dass Nick selbst dieses Zimmer seit drei Jahren nicht mehr betreten hatte. Es war einmal Shannas Kinderzimmer gewesen.
„Außerdem steht gar kein Bett darin.“
„Aber …“
„Lass es gut sein, Lilly“, schnitt er ihr kurz die Entgegnung ab. „Dies hier ist jetzt dein Zimmer“, sagte er dann ruhiger und öffnete eine andere Tür. Einen kurzen Moment blieben sie davor stehen. Lilly sah ihn prüfend an. Dann ging sie wortlos hinein, schloss die Tür und ließ ihn draußen stehen.
Nick wandte sich wieder der Treppe zu, verharrte aber vor dem Kinderzimmer und senkte den Kopf zu Boden. Er wusste, dass sein Verhalten irrational war. Mit schweren Schritten ging er die Treppe hinunter.
Lilly trat ans Fenster und blickte hinaus. Vor ihr breitete sich die karge Prärie aus. Ein Stück entfernt konnte sie das Vieh grasen sehen. Ein paar vereinzelte Bäume waren über die weite Fläche verstreut. Überall offenes Land, nichts, wohinter man sich verstecken konnte. Hier konnte man nicht weglaufen.
Lilly lauschte der Stille im Haus, einer angespannten Stille, so kam es ihr vor. Warum hatte Nick so eigenartig reagiert, nur weil sie fast in das falsche Zimmer gegangen war? Einen Augenblick vorher war er noch ganz entspannt und aufgeschlossen gewesen. Mit einem Schlag hatte sich das vor dieser Tür geändert. Ihr fröstelte.
Nick zu heiraten, das Leben mit ihm zu teilen … Was für ein Opfer wurde da von ihr verlangt? Aber hatte sie eine andere Wahl? Was er über die Zukunft gesagt hatte, die dem Kind beschieden war, wenn es in Columbine Crossing unehelich aufwachsen musste, war richtig. Es gab keinen anderen Weg als die Heirat. Trotzdem fürchtete sich Lilly vor diesem Schritt.
Lilly sah, wie Nick aus dem Haus trat und zu den Ställen ging. Sie versuchte, zur Ruhe zu kommen, aber sie schaffte es nicht. In ihr brodelte es. Gerade eben war über ihr Leben entschieden worden. Alle Pläne, die sie einmal für ihre Zukunft geschmiedet hatte, hatten mit einem Schlag ihre Gültigkeit verloren. Wie konnte sie sich da aufs Bett legen oder auch nur still auf einem Stuhl sitzen? Zudem lastete die Stille im Haus auf ihr.
Sie beschloss, sich etwas zu trinken zu holen. Auf dem Weg zur Treppe hielt sie vor der Tür inne, von der Nick sie fortgezogen hatte. Was für ein Geheimnis mochte sich dahinter verbergen? Es war für sie selbstverständlich, dass sie die Privatsphäre anderer achtete. Aber er wollte auch, dass sie seine Frau wurde. Sie sollte ihr Leben mit ihm teilen und unter diesem Dach wohnen. Das vertrug sich schlecht damit, dass er Geheimnisse vor ihr hatte, schon bevor dieses Zusammenleben begann.
Lilly verscheuchte den Gedanken und ging die Treppe hinunter in die Küche, füllte ein Glas mit kaltem Wasser und trank es in hastigen Zügen aus. Sie merkte, dass ihr die Hand dabei leicht zitterte. Sie stellte das Glas weg und begann, auf und ab zu gehen. Die Unruhe in ihr wuchs. Der Gedanke an das geheimnisvolle Zimmer ließ sie nicht los. Was hielt Nick vor ihr verborgen?
Fünf qualvolle Minuten später gab sie sich geschlagen. Sie ging die Treppe hinauf und drückte die Klinke des verbotenen Zimmers herunter. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während die Tür sich laut knarrend in den Angeln drehte. Dann stieß sie einen leisen Ruf der Überraschung aus.
An der Wand stand ein Kinderbett. Die Bettdecke war zurückgeschlagen. Es sah aus, als sollte im nächsten Augenblick ein Baby dort schlafen gelegt werden. Ein Kuscheltier lag neben dem Kopfkissen, und an der Decke hing ein Mobile mit Mick-Maus-Figuren.
Lilly trat wie magisch angezogen ein paar Schritte näher. Unter den Füßen spürte sie den flauschigen Teppich. In der Mitte des Raums stand ein Schaukelstuhl. Zwischen ihm und einem niedrigen Tisch lag verloren ein Schnuller auf dem Boden. Auf dem Tisch entdeckte sie ein Buch. Die aufgeschlagenen Seiten waren schon vergilbt. Sie nahm es hoch. Der Zustand des Umschlags deutete darauf hin, dass es häufig in die Hand genommen worden war. Lilly las den Titel: „Wie man der beste Daddy der Welt wird“. Tränen schossen ihr in die Augen. Sie schämte sich vor sich selbst, dass sie den Gerüchten Glauben geschenkt hatte, Nick habe Frau und Kind aus dem Haus gejagt. Wenn sie das hier sah, konnte das einfach nicht stimmen. Es war, wie Nick es ihr gesagt hatte: Sie hatte nicht die geringste Ahnung davon, was in seiner Ehe
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