Baccara Exklusiv Band 98
Weil sie Hose und Shirt jeden Abend sorgsam auswusch, hatte sie bisher keine zweite Garnitur kaufen müssen. Einen Moment dachte sie wehmütig an die Tüten mit Kleidung, die sie in Raffaeles Haus zurückgelassen hatte. Doch dann schüttelte sie den Kopf. Nein. Ihr Stolz hätte nicht zugelassen, etwas von den Sachen mitzunehmen, die Raffaele gekauft hatte.
So beängstigend es war, allein auf sich gestellt zu sein, es machte auch selbstständig. Und bisher kam sie sehr gut zurecht.
Nachdem sie ihr nasses T-Shirt und die ausgewaschene Hose zum Trocknen aufgehängt hatte, schlüpfte Lana in das verwaschene Männerhemd, das sie ebenfalls in dem Secondhandladen gekauft hatte und als Nachthemd verwendete. Plötzlich glaubte sie, draußen ein Geräusch zu hören und ein Licht aufblitzen zu sehen.
Instinktiv schaltete sie das Licht aus und spähte dann vorsichtig durch die Jalousie durchs Fenster.
Ihre Wohnung lag hinter dem Haupthaus, und die Wegbeleuchtung, die beim nach Hause kommen automatisch angegangen war, war längst wieder aus. Sie ließ den Blick durch den dunklen Garten schweifen. Nichts.
Sie trat vom Fenster zurück und zögerte, das Licht wieder einzuschalten. Da! Da war der Lichtstrahl wieder. Beinah hätte sie laut aufgeschrien. Obwohl es vorhin geregnet hatte, hatte es nicht nach einem Gewitter ausgesehen. Das konnte unmöglich ein Blitz gewesen sein. Sie wartete ab, zählte bis zehn und fröstelte. Zum ersten Mal bedauerte sie, ihre Vermieterin nicht gebeten zu haben, das Telefon wieder anzuschließen. Sie musste sparen. Und selbst wenn es angeschlossen wäre, wen würde sie anrufen? Ihre Vermieterin war im Moment zu Besuch in Australien. Und außer ihr fiel ihr niemand ein.
Zwanzig Minuten später waren ihre Füße eiskalt, und ihre Zähne begannen zu klappern. Der Adrenalinstoß, der sie in höchste Alarmbereitschaft versetzt hatte, war längst abgeklungen, und sie fühlte sich todmüde und erschöpft. Das Ganze war lächerlich. Da war niemand vor ihrer Wohnung. Sie sollte ins Bett gehen und sich aufwärmen. Doch selbst, als sie sich beruhigt hatte, fand sie keinen Schlaf.
Ein paar Tage später war es morgens sonnig und klar, ein starker Kontrast zu Lanas Stimmung. Seit dem Vorfall vor einigen Nächten hatte sie ständig das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie redete sich ein, dass sie sich alles nur einbildete, und zwang sich aufzustehen. Auf dem Weg ins Bad stellte sie den Wasserkessel an, um sich einen Kaffee zu kochen. Da ihre Vermieterin verreist war, war es ein Luxus für Lana, deren Morgenzeitung zu lesen, ehe sie am Strand spazieren ging. Nachdem sie einen alten Trainingsanzug angezogen hatte, der auch aus dem Secondhandladen stammte, ging sie zum Briefkasten, um die Zeitung zu holen.
Gleich darauf breitete Lana die Zeitung auf ihrem Bett aus, ehe sie sich einen Instantkaffee aufbrühte. Als sie einen Schluck trank, verzog sie das Gesicht. Es fiel ihr schwerer, auf frisch gemahlenen Kaffee zu verzichten, als sie gedacht hatte. Energisch schüttelte sie den Kopf. Sie konnte es sich im Moment nicht leisten, wählerisch zu sein.
Sie hatte alles gehabt, was sie haben wollte, zweimal in ihrem Leben. Dreimal, wenn sie ihre Zeit mit Raffaele mitzählte. Doch jedes Mal war sie von einem Mann abhängig gewesen. Zuerst von ihrem Vater, dann von Kyle und zuletzt von Raffaele. Nein. So hart ihr Leben momentan war, es war gut so. Sie vermisste viele der Annehmlichkeiten, die selbstverständlich für sie gewesen waren, doch eines Tages würde sie sich wieder verwöhnen können. Bis dahin würde sie einfach jeden Tag so nehmen, wie er kam.
Sie trank ihren Kaffee und las dabei in aller Ruhe die Zeitung, bis sie auf die Seite mit dem Gesellschaftsklatsch kam. Hastig stellte sie ihre Tasse auf das altersschwache Nachttischchen.
Mit bebender Stimme las sie die Überschrift laut vor. „So tief können die Schönen und Reichen fallen.“
Gebannt blieb Lanas Blick an einigen Fotos von ihr hängen, von denen eines offenbar im Restaurant aufgenommen und neben ihrem offiziellen Foto als Sprecherin des Wohltätigkeitsvereins abgedruckt worden war. Unter den Bildern von „damals“ und „heute“ war auch eines aus einer Homestory, die ein Hochglanzmagazin gebracht hatte, kurz, nachdem sie und Kyle ihr Apartment neu eingerichtet hatten, eines von Raffaeles Villa in Whitford und schließlich eines in ziemlich schlechter Qualität von ihrer winzigen Wohnung, die jetzt ihr Zuhause war.
Der Artikel selbst war pure
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