Baccara Exklusiv Band 98
sich nicht zu entschuldigen“, erwiderte Rebecca. „Doch Ihrer Krankenakte nach zu urteilen, Mr Berringer, könnten Sie inzwischen durchaus aus dem Rollstuhl heraus sein.“
„Das glauben Sie also?“, forderte er sie heraus. Er lachte bitter und wandte sich dann an seinen Bruder. „Hast du schon wieder eine Mary Poppins für den Job gefunden, Matthew?“ Seine Stimme klang müde und leicht amüsiert. „Man sollte denken, dass der Vorrat langsam erschöpft ist.“
„Man sollte denken, dass Ihr Bruder langsam erschöpft ist von dem Versuch, Ihnen zu helfen, Mr Berringer“, erklärte Rebecca ruhig.
Sie sah, dass Matthew die Augenbrauen angesichts ihrer scharfen Entgegnung hob. Doch er sagte nichts. Grant hob schließlich den Kopf und sah ihr direkt in die Augen. Er schien beeindruckt zu sein, und sie hatte das Gefühl, ihn aus seiner Lethargie gerissen zu haben. Sie fand, für diese Leistung hatte sie einen Punkt verdient.
„So, so … diese Frau hier hat Mut, das will ich ihr zugestehen“, sagte er zu Matthew. Rebecca meinte, einen Funken Anerkennung in seinen Augen aufblitzen zu sehen, entschied dann aber, dass sie sich getäuscht hatte. Sein Ausdruck blieb gleichgültig und gelangweilt. „Ich habe immer das Herbe, Kühle dem allzu Süßen vorgezogen.“
„Keiner meiner Patienten hat mich je als zu süß empfunden“, meinte Rebecca. „Eher im Gegenteil.“
„Ich bin noch nicht Ihr Patient, Miss Calloway“, erinnerte er sie brummig.
Rebecca war betroffen, doch nur einen Moment lang. Der verwundete Löwe, der in die Ecke gedrängt wird, dachte sie. Er kann nur noch laut brüllen und hoffen, den Eindringling damit zu verscheuchen.
In der Nähe des Rollstuhls stand ein Stuhl, und sie ging hinüber und setzte sich. Für den Patienten war es angenehmer, wenn man auf Augenhöhe mit ihm sprach, statt auf ihn herabzublicken. Es konnte einem solchen Moment die Spannung nehmen.
„Sie haben recht. Entschuldigung.“
Er starrte sie direkt an, und sie konnte ihn ebenfalls aus der Nähe betrachten. Einschüchternd war das erste Wort, das ihr einfiel. Doch während sie ihm, ohne zu blinzeln, in seine dunklen Augen schaute, bemerkte sie auch seine Verletzlichkeit und den Schmerz sowie die Angst, die ihn, bildlich gesprochen, in eine dunkle Höhle getrieben hatten.
Eine dünne weiße Narbe reichte von seinem Augenwinkel bis zum Kiefer. Rebecca hatte im Krankenbericht gelesen, dass Grant sie leicht mit plastischer Chirurgie hätte entfernen lassen können, es aber aus irgendeinem Grund nicht wollte. Behielt er sie, damit sie ihm beim Trauern um seinen Verlust half? Oder als eine Art Strafe, die er sich auferlegt hatte?
Er berührte ihr Herz. Es war nicht unbedingt Mitleid oder Mitgefühl, sondern ein unerklärlicher Drang, ihn wieder herzustellen, körperlich und geistig, ihm etwas von ihrer Kraft und ihrem Willen abzugeben.
So etwas hatte sie noch nie gegenüber einem Patienten empfunden. Warum gerade bei diesem hier?
Plötzlich unterbrach Grant ihre Gedanken. „Ich mag Menschen, die zugeben können, wenn sie sich irren“, bemerkte er mit seiner tiefen Stimme.
„Das mache ich häufig“, gab sie zu. „Vielleicht werden Sie mich ja doch irgendwann mögen.“
Auf einmal lachte er, und der tiefe, warme Ton rief bei Rebecca eine Reaktion hervor, die sie alarmierte und die sie zu ignorieren versuchte. Doch sie konnte den plötzlichen Wandel in Grants Erscheinung nicht leugnen. Sein Lachen schien den ganzen Raum zu erhellen. Sein Gesicht war völlig verwandelt, es wirkte weicher, und er schien noch attraktiver. Rebeccas Blick blieb einen Moment lang an seinem vollen, sinnlichen Mund hängen, bevor sie ihn abwandte.
Was ging hier vor? Fühlte sie sich zu Grant Berringer hingezogen?
Nein, das durfte nicht sein. Sie war immer vor solch einer Situation gewarnt worden, doch sie hatte es bisher noch nie erlebt. Sie suchte nach einem rationalen Grund, warum es gerade jetzt geschehen sollte. Es liegt an seiner traurigen Geschichte, redete sie sich ein. Matthew hatte Grant als einen tragischen, sogar romantischen Mann geschildert. Doch sie durfte ihre Professionalität nicht aufs Spiel setzten, indem sie einen Patienten übernahm, der sie als Mann interessierte.
Als könnte er ihre Gedanken lesen, sagte Grant: „Wissen Sie, Miss Calloway, es gibt Frauen wie Sie, die sind hierher gekommen, um sich einen reichen Ehemann zu angeln. Wenn das Ihre Absicht ist, sollte ich Sie gleich warnen, dass Sie Ihre Zeit
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