BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Ludlow sank wimmernd in die Knie, derweil ein scheint's endloser Strom menschlicher Leiber auf ihn zu kroch.
Miranda ließ sich neben ihm nieder, strich ihm schweigend das Haar, sah ihn hingebungsvoll an.
Ludlow nahm es kaum wahr. Die geliehene Kraft, die in ihm gewesen war – sie war verflogen, aufgebraucht von dem, was er damit getan hatte. Er war wieder der Simon Ludlow, der er vor seiner Begegnung mit Gabriel gewesen war – jener Simon Ludlow, den Highgate Hall gebrochen hatte, der an diesem Leben schon verzweifelt war.
Und der jetzt die Verzweiflung aus Highgate Hall hinausließ!
»Banks!«, rief er, als die entsetzliche Prozession ihm schon nahe war. »Helfen Sie mir, bitte! Wir müssen –«
Milton Banks blieb vor ihm stehen, sah verächtlich auf ihn herab. »Ihnen helfen, Dr. Ludlow? So wie sie uns geholfen haben?«, Er wies hinter sich.
»Banks«, stieß Simon Ludlow entgeistert hervor, »wie reden Sie? Was –?«
»Das Leben hat uns wieder, Dr. Ludlow. Ein Ereignis, das ich mit einem Festmahl feiern sollte –« Er griff in die Innentasche seines altmodischen Jacketts und zog ein blitzendes Skalpell hervor. »Mir geht ein provenzalisches Rezept für Herz nicht aus dem Sinn. Leider kam ich nie dazu, es auszuprobieren...«
Lächelnd holte Milton Banks mit der Klinge aus. Sie zeichnete einen silbernen Blitz in die Nacht, der Simon Ludlow in die Brust schlug.
Miranda starrte fassungslos auf den Leichnam ihres Mannes. Die Worte Milton Banks' erreichten nur ihr Ohr, nicht aber ihr Bewusstsein.
»Wer weiß? Vielleicht habe ich großen Hunger...«
Miranda Ludlow starb mit seligem Lächeln. Weil sie Simon folgen durfte...
Gabriel beobachtete aus der Ferne. Und er war zufrieden. Die Dinge liefen ganz in seinem Sinne.
Fast zu einfach klappte alles. Er hatte seine Überredungskünste kaum bemühen müssen. Milton Banks und die anderen hatten sich nur allzu bereitwillig auf den Handel mit ihm eingelassen.
Beinahe bedauerte der Inkarnierte es, ihre Talente so verschwenden zu müssen, wie sein Plan es verlangte. Was hätten sie nicht noch alles in seinem Namen bewirken können! Wie viel Böses könnten sie säen...
Oh, es lag ihm nicht in erster Linie daran, dass sie hingingen und mordeten. Lieber noch sah er den Schmerz, den ihre Taten in die Herzen der Hinterbliebenen pflanzten. Weil Wut und Hass daraus erblühten und die Seelen vergifteten.
Nun, nicht einmal er konnte alles haben...
Gabriel wandte sich ab, als die gespenstische Formation aus dem Tor der Anstalt zog und die Richtung einschlug, in der seine Generäle sie befahlen.
Er selbst entschwand in eben diese Richtung, wenn auch auf ganz anderem Wege.
Er wurde schon erwartet an dem sagenumwobenen Orte, der dort in der Ferne lag.
Und dessen tiefe Wahrheit doch kein Mensch noch kannte.
Salisbury Plains
Die Sonne kroch im Osten über den Horizont. Frühnebel trübte ihr Licht und erstickte die Schatten der fernen Steine.
Morgan McDermott sah dennoch in ihre Richtung. Weil er es jeden Morgen tat. Es war ihm im Laufe der Jahre zu einem Ritual geworden. Sicher ganz anders als jene Rituale, die den Sagen nach in grauer Vorzeit drüben bei den Steinen zelebriert worden waren. Aber auf seine Art vielleicht wirkungsvoller.
Morgan McDermott jedenfalls hatte sich in all den Jahren nicht ein einziges Mal über eine Missernte beklagen können. Seine Saaten gediehen gut, der Boden im Umfeld der Steine war fruchtbar. Dass manche erzählten, das rühre wohl vom einst geflossenen Blute her, wollte McDermott nicht hören.
»Aberglaube«, knirschte er und wandte sich in die entgegengesetzte Richtung.
Auch dort trieb der Aberglaube finsterste Blüten.
Highgate Hall...
Morgan McDermott wusste nicht mehr als den Namen des Anwesens, das sich dort im Westen hinter den Nebeln verbarg. Aber er kannte die absonderlichen Geschichten, die sich wie wilder Efeu darum rankten.
Spuken sollte es dort, erzählten die einen; dass hinter den hohen Mauern abscheuliche Experimente im Namen der Wissenschaft getrieben wurden, die anderen.
McDermott selbst gab sich der Überzeugung hin, dass Highgate Hall schlicht leer stand. Irgendein spleeniger Adliger mochte der Eigentümer sein, und es gefiel ihm wohl, das Anwesen in Schuss zu halten, ohne es zu bewohnen.
Mit dieser Erklärung ließ sich leben.
Und das leise Heulen, das er selbst schon manches Mal des Nachts von dort drüben gehört hatte?
Der Wind...
Morgan McDermott war kein Freund komplizierter
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