BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Drohung gewesen. Gabriel hatte längst bewiesen, über welche Machtfülle und Möglichkeiten er verfügte. Und auch wenn Sardon bezweifelte, dass es dem Teufel wirklich egal war, ob er seinen vampirischen Verbündeten als Trumpf-As im Ärmel behielt oder verlor, wollte er dessen Zorn nicht vorsätzlich provozieren. Er war Gabriel für den Rückerhalt seines Gedächtnisses einen Gefallen schuldig, den dieser jederzeit einfordern konnte, über dessen Charakter der Leibhaftige ihn allerdings völlig im dunkeln gelassen hatte.
Was will er von mir?
fragte sich Sardon nicht zum ersten Mal.
Wie lauten seine Pläne?
Gabriel braute ein Süppchen, in dem Vampire nur bedingt eine Rolle spielten – so viel schien zwischenzeitlich klar. Dennoch beschäftigte er sich mit vielem, worin Vampire verwickelt waren.
Und Halbvampire, lenkte Sardon seine Überlegungen auf eines der Motive, die ihn dazu gedrängt hatten, die Chance, Gabriel wiederzusehen, so schnell wie möglich wahrzunehmen und unverzüglich den Treffpunkt aufzusuchen.
Langsam, als laste
echte
Bürde auf seinen Schultern, drehte er sich um seine eigene Achse. Die Nacht existierte für ihn nicht als die schwarze Tünche, die eines Menschen Blick getrübt hätte. Sardon sah in der Finsternis fast wie bei Tage.
Und er sah –
– uralte Steine...
Fühlte –
– uralte Macht...
Roch –
– satanische Fäule.
»Wo bist du?«, rief Sardon halblaut in die Schatten hinein, die sich wie ein jenseitiger Hauch um eine Anlage schmiegten, die die Phantasie der Menschen seit jeher beflügelt und für die abenteuerlichsten Spekulationen bemüht hatte.
Stonehenge.
Schon in vorchristlicher Zeit hatten sich hier, in der kahlen Ebene von Salisbury, in der Nähe des Flusses Avon, die aus Sandsteinfindlingen gefertigten Trilithen und Monolithen erhoben. Damals mussten sie um ein Vielfaches imposant ausgesehen haben, da noch nicht von Wind und Wetter oder Menschenhand reduziert. Inzwischen aber, nachdem sich über Generationen Bauern der Umgebung an ihnen bedient und Gesteinsbrocken zum Bau ihrer Häuser und Ställe weggekarrt hatten, war nur noch ein Bruchteil des ursprünglichen Faszinosums spürbar.
Nichtsdestotrotz war auch das Stonehenge der Gegenwart zum touristischer Wallfahrtsort erster Güte avanciert. In der warmen Jahreszeit rollte bei schönem Wetter Bus um Bus heran und spie seine Besucherströme aus. Das Gelände war weiträumig umzäunt, riesige Parkflächen bereitgestellt, die die sommers rapsgelben Felder der Umgebung mit ihrem Teerschwarz unterbrachen.
Vielleicht hatte Gabriel all der Menschen wegen darauf bestanden, dass Sardon sich nächtens hier einfinden sollte. Wenn dies aber der Grund gewesen sein sollte, blieb immer noch rätselhaft, warum der Teufel überhaupt Stonehenge als Treffpunkt gewählt hatte – nicht irgendeinen weniger frequentierten und damit sichereren Ort...
»Zeig dich mir, wenn du hier bist! Ich verbringe hier keine Minute des Wartens!«
Ein seltsames Geräusch peitschte durch die Nacht. Zugleich kam es Sardon vor, als beschränke sich der Ton, der an eine berstende Stahlsaite erinnerte, ausschließlich auf den Kern des Kromlechs, den er in diesem Moment betreten hatte.
Als hätte das Betreten des inneren Steinkreises das Geräusch erst
ausgelöst
.
»So in Eile?«, fragte eine Stimme, die Sardon selbst aus einem tausendköpfigen Chor herausgehört hätte. Sie schien aus Richtung der fünf Trilithen zu kommen, die sich – von seiner jetzigen Position aus gesehen – nach Nordosten staffelten. Fünf Denkmäler aus jeweils drei Steinen waren es insgesamt, die erhalten geblieben waren. Die Wissenschaft, die sich mit Sinn und Zweck dieser Anlage auseinandergesetzt hatte, war zu sehr gegensätzlichen Resultaten gekommen: Stonehenge mochte von seinen Baumeistern zur Sonnenbeobachtung und Sonnenverehrung errichtet worden sein. Aus der Anordnung der Steine glaubte man einen differenzierten Kalender zur Errechnung der Saat- und Erntezeiten herauslesen zu können.
Aber zweifellos hatte Stonehenge auch mit vorzeitlichem Totenkult zu tun. Es gab Hügelgräber im unmittelbaren Umfeld, deren genaue Zahl Sardon nicht kannte. Sie interessierte ihn auch nicht. Fakt war jedoch, dass dieses Monument Menschen
angezogen
hatte.
Manche mochten tatsächlich nur gekommen sein, um hier zu sterben. Religion und Aberglaube hatten mindestens so viele Menschen auf dem Gewissen wie das Volk der Vampire...
Sardon wischte die Gedanken, die ihn im Kern des
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