BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Denk- und Lebensart. Er war ein Verfechter des Einfachen, des Bodenständigen. So lebte er, und in diesem Sinne führte er seine Familie.
Ihr Gehöft inmitten der Salisbury Plains warf keine Reichtümer ab, aber genug, um davon zu leben. Mehr brauchte er nicht. Mehr brauchte eigentlich niemand...
McDermott beschloss seine morgendliche Philosophie mit einem zufriedenen Grunzen, dann machte er kehrt, um ins Haus zurückzugehen. Er musste seine Frau Selma wecken, dann die Kinder, und der Tag konnte seinen gewohnten Lauf nehmen.
So war es immer –
– nur heute nicht. Und nie mehr danach.
Die Stimme erreichte ihn auf halbem Wege zum Wohnhaus. »Mister?«
McDermott erschrak zwar, drehte sich aber ohne sonderliche Eile um. Hast war seine Sache nicht. Und auch Entsetzen hatte er nie gekannt.
Heute Morgen lernte er es kennen. Es sprang ihn an, wühlte sich wie mit scharfen Krallen in sein Innerstes. Höhlte ihn gleichsam aus, bis er nichts mehr in sich spürte, das noch zu einer Regung fähig gewesen wäre.
Am Rande des Hofes reihte sich eine absonderliche Formation. Männer, Frauen. Jeden Alters. Bis auf eine Handvoll, die vor ihnen Stellung bezogen hatte, einheitlich gekleidet in weiße – Nachthemden...?
Der Mann, der Morgan McDermott angesprochen hatte, kam näher. Er lächelte leutselig, machte einen jovialen Eindruck, wirkte so ungezwungen, als sei es die normalste Sache der Welt, dass eine Hundertschaft (oder mehr? Eher viel mehr!) in Klinikgewändern vor einem einsam gelegenen Bauernhof aufmarschierte.
Unwillkürlich irrte Morgan McDermotts Blick kurz ab in jene Richtung, wo er Highgate Hall jenseits der Nebel wusste...
Der andere blieb drei, vier Schritte vor ihm stehen. McDermott sah, dass die Schöße des Jacketts seines Gegenübers durchnässt waren...
»Mister«, setzte Milton Banks von neuem an. Er wies bestimmend auf die große Scheune am Südrand des Gehöftes. »Meine Leute werden hier Quartier beziehen, bis sie gerufen werden.«
»Ihre Leute?«, echote Morgan McDermott. »Sie werden – was? Ich fürchte, ich verstehe ni-«
»Fürchtet Euch nicht«, lächelte Milton Banks. Er gab über seine Schulter hinweg ein Zeichen. Die Menge setzte sich in Bewegung.
»Herr im Himmel, wie viele sind das?«, stöhnte McDermott.
»Dreihundertfünfzig.«
»Und was –?«
Milton Banks winkte ab. »Kümmern Sie sich nicht darum. Muss Sie alles nicht interessieren.«
Er hielt inne, als sei ihm plötzlich etwas Wichtiges eingefallen. Seine Hände verschwanden in den Jackettaschen, kamen blutig wieder zum Vorschein und hielten je ein –
»Großer Gott!«, schrie Morgan McDermott auf. Sein eigenes Herz schlug ihm im Halse.
»Fast hätte ich es vergessen«, sagte Milton Banks. Lächelnd wies er zum Wohnhaus hin. »Ob die Dame des Hauses wohl etwas dagegen einzuwenden hätte, wenn ich kurz ihren Herd benützen würde?«
Unter den Menschen
gibt es viel mehr Kopien
als Originale.
Pablo Picasso
Stunden zuvor,
an einem sagenumwobenen Ort...
Die Nacht spannte sich wie ein bleierner Gürtel über der endlos scheinenden Hochebene. Jeder Atemzug war ein Sieg über das Gewicht, das auf den Körper des Mannes drückte, der den Kromlech betreten hatte, den äußersten der beiden konzentrischen Kreise. Der zweite Ring, in dem sich hufeisenförmige Steinsetzungen erhoben, öffnete sich vor dem Besucher.
Mehr noch als das Sicht- und Greifbare prägte Immaterielles den Ort, den Sardon bei seiner letzten Konfrontation mit Gabriel als Treffpunkt genannt bekommen hatte, drüben in der grünen Hölle Mesoamerikas, als die Stadt, die der Lilienkelch nach einer verbotenen Bluttaufe hatte entstehen lassen, untergegangen war.
Eine Maya-Stadt, die zuvor fünfhundert Jahre abgeschottet von der Außenwelt überdauert hatte, beherrscht und regiert von ebenso alten Vampiren... [6]
Fünfhundert Jahre... Ein Drittel meines Lebens nach dem Wiedererwachen im Dunklen Dom.
Die Gedanken rannen zäh in der Blutschwärze durch Sardons Hirn. Fast ebenso bleiern, fast ebenso kalt wie der grenzenlose Himmel über seinem Kopf.
»Komm bei Nacht – wage es nicht, das Monument im Glanz der Sonne zu betreten«, hatte der Teufel ihm aufgetragen und hinzugefügt: »Ich spaße nicht! Richte dich danach, sonst...«
»Sonst?«
»... storniere ich unseren Vertrag. Mit aller Konsequenz«, hatte Gabriel gesagt.
»Und die wäre?«
»Du würdest wieder als erinnerungsloser Krüppel durch die Welt irren...«
Es war keine leere
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