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Bädersterben: Kriminalroman

Bädersterben: Kriminalroman

Titel: Bädersterben: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Geisler
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ging unter dem Müllsack erneut auf Suche. »Olli, du verstehst mich nicht. Ich liebe dich. Ich will dich. Jetzt. Sofort. Bei mir brauchst du keine Klamotten.« Sie küsste ihn, und er begann nun auch, unter ihrem Kittel herumzufummeln. Es würde schwer genug werden, die wenigen Meter bis zu ihrer Wohnung heil durchzustehen.
    Sie hatte recht. Um seine Sachen könnte er sich auch morgen kümmern.

     

     

22 Das Salz der Erde

    Die Biologische Anstalt befand sich nur einen Steinwurf vom Hotel entfernt, allerdings auf dem Unterland, nur wenige Meter vom Helgoländer Nordosthafen. Stuhr hatte schlecht geschlafen. Immer wieder hatte ihn Anna Maria Rasmussen in einer anderen verdächtigen Rolle aus dem Traum geschreckt, obwohl sie vermutlich mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hatte. Schließlich weckte ihn morgens um acht ein alarmierender Anruf von Kommissar Hansen auf. Der Friedhofsgärtner hatte Ollis Klamotten auf dem Inselfriedhof in einem Müllsack gefunden, der vermutlich aus dem Inselmagazin stammte. Dort war Olli gestern Abend auch zum letzten Mal gesehen worden.
    Stuhr bekam Gewissensbisse. Hatte er etwa ungewollt seinen jugendlichen Freund direkt ins Verderben geschickt? Er bekam bei dem kurzen Spaziergang zur Anstalt das Bild von Olli vor dem Fahrstuhl von gestern nicht mehr aus dem Kopf. Hatten ihn etwa die Gestalten auf dem Gewissen, die dort vor ihm herausgetorkelt waren?
    Natürlich berichtete er dem Kommissar sofort von seinem letzten Kontakt mit Olli. Hansen sagte zu, diesen Duckstein schnellstmöglich zu durchleuchten. Irgendetwas schien ihn jedoch zu bewegen, doch er äußerte sich nicht weiter. War etwa bereits der nächste Mord entdeckt worden, oder hatte es gar Olli erwischt?
    Die Sorge um Olli hatte Stuhr ziemlich aufgewühlt, als er vor dem verhältnismäßig großen, langgestreckten Zweckbau aus den 60er-Jahren stoppte. Eine Klingel gab es nicht. »Guten Morgen. Schön, Sie zu sehen, Herr Stuhr. Na, sind Sie schon auf die Flachzangen gekommen?«, begrüßte ihn Dr. Rogge unerwartet hinter seinem Rücken. Vermutlich hatte er ihn von dem benachbarten Aquarium aus gesehen und war zu ihm herübergeeilt.
    »Sie meinen die Börtebootfahrer und so«, gab Stuhr seine Vermutung preis.
    »Richtig, Herr Stuhr.« Der Direktor streckte ihm seine Hand entgegen. »Es gibt zu wenig anspruchsvolle Arbeit auf der Insel. Der Strukturwandel steckt hier noch in den Kinderschuhen. Heerscharen von Hilfskräften halten die triste Betonpflasterung auf der Insel zwar picobello in Schuss, aber das ist wie Bunkerputzen. Schöner wird davon nichts. Wir brauchen mehr Qualität auf Helgoland, Flundern statt Flachzangen.«
    Stolz führte ihn der Direktor jetzt durch einen langen, linoleumgepflasterten Gang auf die andere Seite der Anstalt zum Treppenhaus. Nachdem sie den ersten Stock erklommen hatten, zeigte er aus dem Fenster und wies auf das freie Land vor der Meeresenge hin, die die Düne von der Hauptinsel trennte. »Schauen Sie, da gäbe es noch genug Bauland, wenn wirklich jemand bauen wollte, alles gesichert durch Betonmolen von Hitlers Wahn, hier einen Kriegshafen zu errichten. Eine Aufschüttung würde überhaupt nichts verändern. Sie verstehen? Ich habe in diesem Punkt ständig im Clinch mit meinen Mitarbeitern gelegen, die die Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt haben. Vor allem mit dem Kollegen Reinicke, der nun aber verstorben ist, wie Sie gestern Mittag sicherlich mitbekommen haben.«
    Auch wenn Stuhrs Gedanken noch bei Olli verweilten, interessierten ihn die Ausführungen des Direktors durchaus. So nickte er und fragte nach. »Was meinen Sie, was der Insel denn wirklich helfen würde, Dr. Rogge?«
    Es war nicht zu verhindern, dass Dr. Rogge jetzt abhob, um über den Überlebenskampf der Insel zu dozieren. »Arbeitsschwerpunkt der Biologischen Anstalt Helgoland sind die marinen Naturstoffe. Ob Sonnenschutzmittel aus Algen, krankheitshemmende Stoffe aus Schwämmen, Pilzen und Bakterien oder der Delfinhaut nachempfundene Schiffsanstriche. Die Natur liefert zahlreiche Vorlagen für vermarktungsfähige Waren. Solche in der Region entwickelten Produkte werden in der Zukunft das Überleben der Insel sichern müssen.«
    Stuhr blickte Dr. Rogge in die Augen, doch sein Blick wurde von dem grauen Müllsack im Treppenhaus abgelenkt, der keine zehn Meter entfernt im Flur neben einem Schrank lehnte. Er hätte beschwören können, dass der eben noch nicht dort gestanden hatte. Vermutlich war Stuhr aber

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