Bädersterben: Kriminalroman
seinen Augen und Gedanken. Wieso konnte er ausgerechnet mit Jenny die Zweisamkeit so gut aushalten? Er schnupperte an ihrer ebenmäßigen Haut, denn er liebte den Duft, den sie verströmte. Er mochte ihr Lachen, und er fand heute Morgen auch gut, dass sie den Mund nicht verzogen hatte, als sie zu ihm in seinen alten Golf gestiegen war. Sollte er sich nicht vielleicht doch einmal ein schickes neues Auto kaufen? Andererseits war er mit seinem Wagen eigentlich zufrieden, und warum sollte er ein tadellos funktionierendes Fahrzeug verschrotten lassen?
Als er sich noch ein wenig näher an ihren warmen Körper herankuschelte, vernahm er wieder das gleiche leise Klopfen, das ihn geweckt haben musste. Er hatte sich also doch nicht getäuscht. Sicherheitshalber hatte er noch eines dieser Hinweisschilder außen an die Klinke gehängt, dass sie nicht gestört werden wollten. Er lauschte zur Flurtür. Von sich aus würde er sich nicht rühren, bis Jenny aufgewacht wäre.
Das monotone Klopfen wiederholte sich und wurde jetzt von einer leisen männlichen Stimme unterlegt. »Jenny, mach auf. Ich muss dringend mit dir sprechen.«
Jenny wachte aber nicht auf, und so setzte sich das Geklopfe fort. Die Eifersucht schoss Stuhr ungewollt sofort trübe Gedanken in den Kopf, die er nur mühsam mit Logik verdrängen konnte. Das Klopfen wurde lauter und die flehende Stimme auch. »Jenny, du musst mir helfen. Nur noch ein einziges Mal. Bitte!«
Jenny begann nun, sich erstaunt zu ihm umzudrehen und müde zu rekeln. Sie blinzelte Stuhr fragend an. »Was willst du von mir? Lass uns doch noch einen Moment schlafen.« Sie umarmte ihn, bis die Stimme wieder bettelte. Jetzt erst bekam Jenny mit, dass die Störung vom Hotelflur herrührte. Sie fuhr hoch und legte den Zeigefinger auf ihre Lippen. Dann fragte sie laut zur Tür hin: »Was ist denn los? Wer ist da?«
Die erleichterte Stimme, die jetzt in normaler Stimmlage Einlass begehrte, kannte Stuhr. Das konnte nur dieser Dieter Duckstein sein, ihr Ex-Mann. Jegliche Logik wurde schlagartig wieder von der Eifersucht verdrängt. Hatten sie ihre gemeinsamen Zeiten doch noch nicht beendet?
Aber Jenny bewahrte die Ruhe. »Was willst du, Dieter? Wir sind uns nichts mehr schuldig. Ich heiße wieder Muschelfang und nicht mehr Duckstein. Ich bitte dich, meine Mittagsruhe zu respektieren. Tschüß und guten Tag noch.« Jenny ließ sich ins Bett zurückfallen. Sie schien nicht gewillt zu sein, mit ihm zu sprechen, was auf Stuhr ausgesprochen beruhigend wirkte.
Aber Dieter Duckstein ließ nicht locker. »Ich lasse dich in Ruhe. Ich muss mich nur kurzfristig ohne großes Aufheben verstecken. Ich bin sozusagen auf der Flucht. Wenn du nur einen einzigen Funken Anstand hast, Jenny, dann gewährst du mir für drei, vier Stunden Unterschlupf.«
Zum Glück schien Jenny nach wie vor nicht bereit zu sein, Duckstein in ihr Liebesnest hineinzulassen, sondern suchte Stuhrs Blick. Sie zeigte stumm auf sein Zimmer, und ihre offene Handfläche erbat seine Magnetkarte.
Was sollte er schon machen? Er schlich zu seiner Hose und händigte ihr das Kärtchen aus. Sie küsste ihn dankbar. Dann stand sie auf und stellte sich nackt hinter die Tür. Sie öffnete sie nur so weit, dass sie die Plastikkarte gerade durchschieben konnte. Schnell verschloss sie die Tür wieder und kam zurück zu ihm ins Bett gekrochen. Sie kuschelte sich eng an ihn. Sie schien ernsthaft die Mittagsruhe mit ihm fortsetzen zu wollen. »Danke, mein Held.« Aus dem Küssen wurde schnell ein gegenseitiges gieriges Umschlingen, das allerdings abrupt durch die laute Stimme eines Nachrichtensprechers aus dem Nebenraum gestört wurde. Jenny unterbrach die Zärtlichkeiten, richtete sich auf und klopfte resolut an die Wand zum Nachbarzimmer. Die Lautstärke wurde daraufhin sofort reduziert, und Jenny ließ sich wieder genüsslich in seinen Arm fallen.
Die Liebe zu ihr gewann glücklicherweise die Oberhand über Stuhrs kindische Eifersuchtsgefühle. Was hatte diese Frau nur, was die anderen alle nicht hatten? Er streichelte ihr zärtlich über den Rücken, und es war ihm ziemlich egal, dass ein Ex-Lover von ihr nebenan die Zeit totschlug. Jetzt nervte auch noch das lauter werdende Geräusch eines Hubschraubers, der in der Nähe einen Landeplatz zu suchen schien. Auf der Terrasse tauchte kurz ein flüchtiger Schatten auf. Versuchte Duckstein etwa, sich Einblick in ihr Zimmer zu verschaffen?
Stuhr musste sich darüber aber nicht den Kopf zerbrechen, denn
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