Bädersterben: Kriminalroman
die Operation leiten, aber die Clausen marschierte schnurstracks weiter zur Treppe, an der sie wieder den Finger kreisend ihre Leute sammelte. Auf ein knappes Kommando hin wurden die Waffen gezogen und entsichert. Ihre Truppe schien gut eingespielt zu sein, denn in alle Richtungen sichernd schlichen sie jetzt schnell die Treppen hoch. Das waren vermutlich neu antrainierte Standardsituationen, die ihm als gewöhnlicher Kommissar völlig fremd waren. Er kannte so etwas nur aus amerikanischen Filmen, die er des lieben Friedens willen zu seinem Missvergnügen gemeinsam mit seiner Frau immer samstagabends ansehen musste, obwohl die Handlungen ausgesprochen weit weg von seiner Arbeitswirklichkeit waren.
Das Personal hatte sich hinter der Rezeption versteckt, und Hansen schlich der Truppe hinterher. Er fühlte sich ein wenig wie ein mit durchgeschleppter blinder Hund.
Als sie endlich auf der Terrassenetage angelangt waren, dröhnte auf einmal Ten Hoffs Stimme im Kopfhörer noch dramatischer als sonst am Funkgerät. »Hansen! Der Verdächtige ist zurück auf der Terrasse und schleicht jetzt von uns aus gesehen zum Hotelzimmer linkerhand. Wir können näher heranfliegen, um ihn abzulenken. Come on. Ihr müsst von hinten die Zimmer infiltrieren.«
Die Clausen sah Hansen fragend an. Der überlegte, ob es nicht besser sei, das Eintreffen des MEK abzuwarten. Aber dann fiel ein Schuss, und ein lauter Schrei war zu hören. Hansen blieb nichts übrig, als zu nicken. Sicherlich würde sie ihren männlichen Kollegen vornehm den Vortritt lassen. Wortlos zeigte sie jedoch auf zwei Kollegen und ballte die Faust gegen die letzte Tür am Ende des Flurs. Dann folgte sie mit einem anderen Kollegen und besetzte die Tür davor. Sie gab ein Handzeichen, und im nächsten Moment trat sie genau wie ihr Kollege nebenan mit dem Fuß die Tür ein und stürmte das Zimmer. »Hände hoch! Ruhe bewahren!«, schrie die Clausen.
Doch wenig später erscholl bereits ihre Entwarnung. »Sicherheit hergestellt.«
Hansen betrat vorsichtig den Raum, in dem die Revierleiterin mit gestreckten Armen und entsicherter Waffe mitten im Raum stand. Im Doppelbett saß Stuhr seelenruhig mit der Blondine von der Seebrücke im Arm, was Hansen missbilligend zur Kenntnis nahm. »Klasse Job gemacht, Stuhr.«
Der blickte unsicher zurück.
Über den Flur vermeldeten jetzt auch aus dem Nachbarraum die Kollegen, dass Sicherheit hergestellt war. Hansen verließ das Paar und eilte in das Zimmer nebenan, in dem Dieter Duckstein wimmernd an Handschellen gefesselt mit dem Gesicht zur Wand kniete. Den sich hinter dem Bett krümmenden, gefesselten Rasmussen bemerkte er erst, als er den Raum vollständig betreten hatte. Hansen nickte den beiden Beamten anerkennend zu. »Gute Arbeit, Kollegen.«
Einer der beiden Polizisten wehrte das Lob ab. »Das sind niedersächsische Handschellen, Kommissar.«
In diesem Moment trat Ten Hoff mit seinem strahlenden Grinsen wie ein Hollywoodstar durch die Terrassentür des Zimmers, zeigte auf den Kieler Kommissar und wiederholte seinen Spruch vom Sand. »You’ll never walk alone, Hansen.«
Hansen nickte. Erst später konnte er sich schlaumachen, was dieser Satz genau bedeutete. Sein Büroleiter Zeise wollte zunächst natürlich ungefragt eine unterschwellige Homosexualität bei dem niedersächsischen Kollegen nicht ausschließen, bevor er von wissenden Kollegen abgewürgt wurde, die ihn auf die ehrenhafte Herkunft aus dem englischen fußballerischen Umfeld hinwiesen. Vermutlich hatte Ten Hoff ihm das schönste Kompliment unterbreitet, was ihm jemals kollegial zuteil wurde.
Der ging jedoch gerade auf Christiane Clausen zu, stellte sich vor und gab ihr den sicherlich ersten Handkuss ihres jungen Lebens. Dieser Auftritt erstaunte nicht nur Hansen. »Wo kommst du denn her, Pieter?«
Sein niedersächsischer Kollege zeigte in die Luft. »Von oben. Hansen, denn alles Gute kommt von oben, oder glaubst du nicht mehr an den lieben Gott?«
Während Hansen noch fassungslos den Kopf schüttelte, berichtete Ten Hoff von seinem Einsatz. »Come on, Hansen. Als ich gesehen hatte, dass Duckstein mit der Schießerei angefangen hatte und Rasmussen wehrlos verletzt auf dem Boden lag, da musste ich etwas unternehmen. Wir sind ja nicht in der Bronx, wo sich die Halunken unbehelligt gegenseitig abmurksen können. Duckstein versuchte direkt unter uns, über die Terrasse zu flüchten. Landen konnten wir dort schlecht wegen der vielen Sonnenschirme und
Weitere Kostenlose Bücher