Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Aber es war wüst, wenn ich das so direkt sagen darf. Belaste dich momentan nicht mit solchen Fragen. Das hat Zeit für später.«
Baltasar sackte zurück aufs Kissen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Eine neue Reparatur! Er wusste nicht, woher er das Geld nehmen sollte. Und die Diözese … Ihm wurde schwindelig, wenn er daran dachte.
Es klingelte. Teresa führte den Arzt herein.
»Ich geh jetzt«, sagte Anton Graf. »Ich komme später noch mal wieder. Und bei deiner Haushälterin bist du ja in besten Händen.«
Der Doktor diagnostizierte eine Platzwunde am Kopf, mehrere Schürfwunden, Prellungen an der Schulter und eine leichte Gehirnerschütterung. »Eine Woche absolute Bettruhe. Ich spritze Ihnen ein Antibiotikum und lasse Schmerztabletten da. Gute Besserung, Hochwürden.«
Nachdem Teresa den Arzt hinausbegleitet hatte, schlich sie um Baltasars Bett. »Was ich Ihnen soll zum Abendbrot machen? Vielleicht eine spezielle Krankenkost? Meine Oma in Polen hat in solchen Fällen immer …«
Baltasar fuhr erschrocken hoch. »Bloß nicht! Ähm … Ich meine, ich bin überhaupt nicht hungrig.« Er kannte die vielen Talente seiner Haushälterin – Kochen gehörte nicht dazu. Was sie nicht davon abhielt, ihre fatale Lust auszuleben und neue Rezepte auszuprobieren – mit ihm als Versuchskaninchen.
»Sie was essen müssen, Sie sind krank. Ich warten ein wenig, Sie später sicher Hunger bekommen. Ich werde Sie überraschen!« Teresa verschwand in die Küche.
Baltasar starrte an die Decke. Er kam sich vor wie ein Boxer, den man knocked-out auf die Bretter geschickt hatte. Der Kopf schmerzte, die Schulter schmerzte. Alles in allem hatte er Glück gehabt, denn wenn der Balken nur wenige Zentimeter … Dank der Rettung durch seinen Nachbarn war er dort oben nicht verblutet.
Er wusste, dass er im Bett liegen bleiben sollte, doch die Unklarheit über den tatsächlichen Zustand der Kirchenglocke ließ ihm keine Ruhe. Er lauschte, ob er Teresa irgendwo hörte, aber das Pfarrhaus schien wie ausgestorben. Wahrscheinlich war die Haushälterin einkaufen gegangen. Baltasar stand auf. Ihm war ein wenig schwindelig.
Er suchte im Schrank nach einem Sweatshirt und zog es über. Leise öffnete er die Schlafzimmertür, lauschte nochmals, stahl sich durch die Haustür hinaus und ging hinüber in die Kirche.
Die Stufen bereiteten ihm mehr Mühe als gedacht. Ständig musste er innehalten, bis sich sein Kreislauf wieder stabilisiert hatte. Die Leiter zur obersten Plattform schaffte er erst im dritten Anlauf – es war ein Wunder, wie Anton Graf und Teresa es geschafft hatten, ihn nach unten zu hieven.
Oben angekommen setzte er sich erschöpft auf den Fußboden. Der Anblick trieb ihm Tränen in die Augen: Überall lagen Holzteile und Balken, ein Trümmerfeld. Der Verschlag war zusammengestürzt, die Reste überall im Raum verteilt. Am traurigsten jedoch war der Zustand der Glocken. Die Dicke Martha hing schief in ihrer Verankerung und sah aus, als würde sie jeden Augenblick nach unten stürzen. Die Totenglocke lag schräg auf dem Boden, die Halterung war gebrochen.
Baltasar befühlte das Holz. Es ließ sich an mehreren Stellen zerbröseln wie ein Stück Brot. Holzschwamm vermutlich. Sein Nachbar hatte recht gehabt – es war ein einziges Desaster. Wahrscheinlich war die ganze Dachkonstruktion zu erneuern.
Etwas anderes schlich sich in seine Gedanken: Wie hatte er nur annehmen können, jemand habe ihn niedergeschlagen? Das war ziemlich naiv gewesen. Wer klettert schon freiwillig einen Kirchturm hinauf, um einen Pfarrer anzugreifen. Was für ein Unsinn!
Jedenfalls musste er den Turm sperren, die Glocken würden für Wochen, wenn nicht Monate verstummen. Es hing ganz davon ab, wie schnell er Geld für die Sanierung auftreiben konnte.
*
Eine Woche später spürte er nichts mehr von seinem Unfall. Den Schaden hatte er der Diözese in Passau gemeldet, aber noch keine Antwort erhalten. Er wählte nochmals die Nummer vom Vorzimmer des Bischofs. Sein Sekretär meldete sich, und als er Baltasars Namen hörte, sagte er: »Einen Moment.«
Dann blieb die Leitung eine Minute still.
»Herr Senner, sind Sie noch dran?«
Baltasar bejahte.
»Tut mir leid, Seine Exzellenz ist nicht im Büro. Kann ich etwas ausrichten?«
»Danke, nein, ich melde mich wieder.«
Baltasar beschlich das Gefühl, dass der Bischof sich gerade hatte verleugnen lassen. Er probierte es beim Generalvikar. Dessen Assistent Daniel Moor war am Apparat.
»Meister Yoda,
Weitere Kostenlose Bücher