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Komponente Calthur

Komponente Calthur

Titel: Komponente Calthur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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1.
     
    Das Summen der Blutaktivierungsdusche verstummte. Die GWA- Mediziner hatten mich wieder einmal »aufgemöbelt«, wie man im Jargon sagte. Es gab auch noch andere Bezeichnungen für die Auffrischung eines menschlichen Kreislauf- und Stoffwechselsystems, das wegen der Zusatzversorgung einer umfangreichen Folienmaske aus biologisch lebendem Synthogewebe überlastet war.
    Ehe die Kanülen aus den großen Blutleitern entfernt wurden, erhielt ich noch einige Medikamente mit langfristiger Depotwirkung.
    Hannibal Othello Xerxes Utan, der seltsamste Einsatzschatten der Geheimen Wissenschaftlichen Abwehr, lag neben mir auf einem gleichartigen Behandlungstisch.
    Seine Folienmaske war noch umfangreicher als meine. Sie umhüllte seinen ganzen Körper.
    »Wie sieht es mit seiner Nierenfunktion aus, Doc?« erkundigte ich mich gedämpft.
    Dr. Mirnam, GWA-Spezialist für Biozuchtfolien und Maskenaufpflanzungen, schaute prüfend zu dem Kleinen hinüber. Er stellte »Quasimodo« dar, das mißgestalte Faktotum des Wissenschaftlers Professor Marcus Owen Toterlay.
    »Jede physische Überanstrengung ist zu vermeiden, Sir. Behalten Sie ihn im Auge.«
    »Dazu müssen Sie mir erst einmal die Gebrauchsanweisung liefern. Was denken Sie wohl, wie aktiv er zu werden hat? Oder nimmt man etwa an, der Ausbruch zweier Menschheitsfeinde aus dem Gewahrsam der GWA wäre eine Kleinigkeit? Doc, wir befinden uns in Luna-Port. Niemand kann hier hinausspazieren, ohne auf den Widerstand positronischer Automaten zu treffen. Außerdem gibt es hier die Elitedivision, die dem Anschein nach wegen Hannibals und meiner verbrecherischen Aktivitäten schwere Verluste erlitten hat. Also sorgen Sie dafür, daß der Kleine topfit ist; egal wie! In Ihrer biochemischen Hexenküche sollte es genügend Mittelchen geben.«
    »Mach ihn nicht nervös«, meldete sich Hannibal auf telepathischer Ebene. »Man hat mir schon eine Hochdruckspritze in den künstlichen Buckel eingebaut. Das Ding fängt an zu zischen, sobald seine Sensoren das Versagen einer meiner zahlreichen Körperfunktionen feststellen. Zum Teufel – was soll ich eigentlich sonst noch alles mit mir herumschleppen? Ha, Automatspritzen im Buckel! Das macht einen Gorilla zum Tangotänzer. Was gibt es da zu grinsen?«
    Der Kleine richtete sich auf und wandte mir sein verunstaltetes Biogesicht zu.
    Seine hängende Unterlippe gab gelb verfärbte Zähne frei. Das rechtsseitige Triefauge fixierte mich in unangenehmer Weise.
    Die Romanfigur Quasimodo, auch »Glöckner von Notre- Dame« genannt, war gegen Hannibal eine Schönheit gewesen. Ich konnte nicht länger in sein Gesicht sehen. Bei diesem Anblick verlor sogar ein Berufskomiker die letzte Spur von Humor.
    »Private Unterhaltungen sollten unterlassen werden«, nörgelte jemand.
    Es war Oberst Reg J. Steamers, der allgegenwärtige Quälgeist. Seitdem er die Logikfundierung des Einsatzes übernommen hatte, waren wir, die ohnehin disziplinierten GWA-Schatten, zu indirekten Robotern geworden. Immerhin, Steamers’ Einwände und Berechnungen hatten sich als richtig erwiesen.
    Ich drehte mühevoll den Kopf.
    Unser Abstraktmathematiker und Psychologist saß auf einem Hocker. Obwohl sich fünf Zentimeter hinter ihm eine stabile Stahlwandung befand, dachte er nicht daran, sich dort anzulehnen. Das hätte auf keinen Fall seiner korrekten Haltung entsprochen.
    »Brechen Sie sich nur nicht den Blinddarm ab«, sagte Hannibal mit seiner pfeifenden, von ständiger Luftnot zeugenden Stimme. Er hatte in dieser Art zu sprechen, denn der echte Quasimodo hatte wegen seiner Gebrechen ebenfalls keine andere Wahl.
    »Wurmfortsatz, bitte«, korrigierte Steamers. Er besaß einen gewissen Humor, den man aber nicht zu sehr strapazieren durfte.
    Hannibal schwieg. Da das eine Seltenheit war, fühlte ich mich sofort beunruhigt.
    Steamers hatte meine Gemütsbewegungen längst erkannt. Er war ein kluger Mann und scharfer Beobachter.
    »Sie werden zu einem Einsatzrisiko, Major MA-23«, behauptete er gelassen. »Nein, suchen Sie bitte nicht nach einer möglichst skurrilen Antwort. Das strengt Sie zu sehr an. Ihr EEG zeigt nicht die besten Werte an. Wenn wir Sie überhaupt agieren lassen, dann nur wegen Ihrer parapsychischen Fähigkeiten. Andernfalls wären Sie längst zurückgezogen worden. Utan, Sie sind kein Herkules. Die Vollfolienmaske, ohne die Sie den echten Quasimodo nicht darstellen können, laugt Sie bis aufs Mark aus, wenn Sie mir diesen Begriff gestatten.«
    »Ich gestatte.

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