Banditenliebe
ich konnte nicht anders, als die schlichte Eleganz ihres Mantels zu bewundern. Genau so einen hatte die Witwe von Arkan getragen, Ceca, bei dessen Begräbnis.
Einige Tage darauf beobachteten wir, wie sie in der Rue de Reine ein Restaurant betrat. Trauer trug sie nicht mehr. Die Fahrerin blieb im Wagen, die andere setzte sich drinnen neben Greta. Es war ein kleines Lokal, der Tisch blickte auf die Straße. Bei ihnen saß auch ein Mann mit dem typischen Äußeren und Verhalten des Berufsmilitärs.
Mir lief es kalt über den Rücken. »Den engagiert sie jetzt, damit er uns fertigmacht.«
Beniamino zuckte mit den Schultern. »Ich wette, das ist derselbe, der Sylvie entführt hat.«
Der Ton, in dem er das sagte, weckte bei mir einen früheren Verdacht. »Apropos, was hat eigentlich Sylvie dazu gesagt, dass du die Frau verschont hast, die sie hat entführen und in ein Bordell für Gruppenvergewaltigungen sperren lassen?«
»Sie hat mich nicht beschimpft, anders als du … Sie hat gesagt, alles Schlechte hat auch sein Gutes, auf diese Weise könnte man ja die Organisation zerschlagen und alle Frauen befreien, die sie festhält.«
Ich schlug mir aufs Bein. »Hätte ich mir doch gleich denken können.«
»Was?«
»Dass Sylvie dich gebeten hat, sie nicht zu erschießen.«
»Sagen wir, das war ihre Haltung.«
»Und du hast dich nicht getraut, ihr zu widersprechen, obwohl du weißt, dass das eine Riesenidiotie ist, weil du denkst, wenn du tust, was sie sagt, wird sie vielleicht doch wieder dieselbe wie früher.«
»Habe ich da so unrecht?«
Banditenliebe …
»Nein. Ich hätte wohl dasselbe getan, aber diese Frau ist grausam, gewalttätig, skrupellos. Sie wird uns jagen und massakrieren.«
Er schlug mir auf die Schulter. »Nein. Im Gegenteil, wir werden sie nicht in Ruhe lassen und ihr kleines Imperium zertrümmern.«
Das also war der Plan. »Du hättest mich ruhig fragen können, ob ich mich deinem Krieg anschließen will.«
»Warum? Würdest du dich weigern?«
»Es ist Wahnsinn, Beniamino.«
»Es gilt, einen Tumor auszuschneiden.«
Ich seufzte. »Und wer sagt, dass wir die richtigen Chirurgen sind?«
»Klar sind wir das. Und diesmal lassen wir alle Bullen und Mafiosi außen vor. Diesmal machen wir es auf unsere Art.«
»Wir sind veraltetes Werkzeug aus der Vergangenheit. Die wischen uns mit einer Handbewegung beiseite.«
»Dann geh eben nach Lugano zurück und gib den Rentner, während ich saubermache.«
»Nein, Scheiße, ich bring’s nicht fertig, dich alleinzulassen, wer weiß, in was für einen Schlamassel du dich diesmal reinreitest.«
Im Augenwinkel sah ich, dass Rossini verstohlen grinste. Der Hurensohn. Max hatte richtiggelegen.
Der Typ drinnen stand auf und verabschiedete sich mit einem flüchtigen Handkuss von Greta. Er verließ das Lokal und ging zu Fuß davon. Wir ließen ihm fünfzig Meter Vorsprung und folgten ihm dann.
Er war ein Profi, der nicht lange brauchen würde, um uns zu bemerken. Er würde uns für Laien halten, die ihm die Arbeit erleichterten. Vielleicht würde er lächeln und denken, das sei ein guter Tag.
Ein Gedanke jedoch würde ihn nie auch nur streifen, nämlich dass dieser alte Schmuggler und Räuber an meiner Seite ihm nur begreiflich machen wollte, dass er sich nie wieder verstecken würde und dass er, um ein Versprechen an seine Liebste zu erfüllen, sein Leben nach Regeln aufs Spiel setzen würde, die keiner seiner Feinde kannte. Banditenliebe eben. Und ich würde bei ihm sein, denn ich hatte keine ebenso starke Liebe, die mich an eine Person oder einen Ort band. Außerdem ist Rossini mein Freund. Einer der beiden, die ich noch habe. Und in einer Welt, in der jeder jeden bescheißt, will das wirklich etwas heißen.
ENDE
ÜBER DEN AUTOR
© Marijan Murat
Massimo Carlotto, geboren 1956 in Padua, ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller Italiens. Als Sympathisant der extremen Linken wurde er in den 1970er Jahren zu Unrecht wegen Mordes verurteilt. Nach fünfjähriger Flucht und einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren wurde er 1993 begnadigt. Er lebt heute auf Sardinien.
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