Banditenliebe
Saxophonist Maurizio Camardi, der einzige wahre Frauenkenner, als »Knaller« bezeichnete. Auffällig, provozierend, ausgesprochen faszinierend. Nach meiner Berechnung musste sie genau vierzig sein. Das sah man ihr auch an, und in gewisser Weise trug sie es zur Schau. Natürlich lagen ihr auch viel jüngere Männer zu Füßen.
Als wir sie das erste Mal sahen, erstarrten wir. Beniamino sperrte den Mund auf und brachte keinen Ton heraus: Sie sah Sylvie bestürzend ähnlich. Und ganz offenbar war das gewollt, erwünscht und auf chirurgischem Wege befördert.
Ich traute mich, Beniamino zu fragen: »Was ist wirklich passiert?«
Er kniff die Augen zusammen, als würde ein Schmerz durch seinen Leib schneiden. »Bevor sie sie Fatjion übergaben, war sie bei diesem Schwein zur Vorbereitung zu ›Gast‹. Sie hat ihr Gewalt angetan, hat sie gedemütigt, hat sie gezwungen zu tanzen, in lächerlichen Kostümen.«
»Hat Sylvie dir das erzählt?«
Rossini schüttelte den Kopf. »Mit mir redet sie nicht über das, was da passiert ist.«
»Und woher weißt du es dann?«
»Ihr Tagebuch. Ein kariertes Schulheft, auf dem Umschlag sind zwei Eichhörnchen, aber wenn du es aufschlägst, betrittst du die Hölle. Ich glaube, das war eine Idee von ihrem Seelenklempner.«
Nach ein paar Tagen vorsichtiger Beschattung wussten wir, dass Greta, wohin sie auch ging, von zwei Frauen begleitet wurde. Die eine fuhr die große schwarze Limousine mit getönten Scheiben, die andere blieb stets dicht an ihrer Seite, wie eine Leibwächterin; manchmal aber benahm sie sich wie eine Sekretärin oder eine nahe Freundin.
Die Fahrerin war die Jüngste. Sie war klein, trug kurzes, blondes Haar und fuhr, als wäre sie am Lenkrad geboren und aufgewachsen. Vielleicht war es ja tatsächlich so. Die andere war die typische slawische Schönheit, möglicherweise Russin: hohe Wangenknochen, lange Haare, ein im Sportstudio und wahrscheinlich in der Kaserne gestählter Körper. Sie besaß jene Gewandtheit, wie sie für professionelle Gewalttäter charakteristisch ist. Anders als Greta, die stets hohe Absätze trug, gingen die beiden anderen in flachen Schuhen mit Gummisohlen.
An einem Abend bekniete ich Beniamino, dass er Sylvie in meiner Anwesenheit anrief und sie nach den beiden fragte.
»Das ist nichts als unnötige Quälerei.«
»Wir müssen es aber wissen.«
Nach ein paar Minuten griff er zu seinem Handy. »War Greta Gardner allein, oder hatte sie zwei Frauen bei sich?«
Sylvie hatte sofort furchtbar losgeschluchzt. Rossini hielt mir das Telefon ans Ohr, damit ich es hören konnte. Es war herzzerreißend.
»Zufrieden?«
Ich verbrachte eine schlaflose Nacht, aber ich hatte erfahren wollen, ob diese beiden Komplizinnen waren oder nicht, das erforderte die Situation. An den beiden folgenden Tagen richtete der alte Schmuggler kaum ein Wort an mich, was ich nutzte, um abends auszugehen. Ich spazierte durchs Viertel und stand auf einmal vor einem Theater, an dem große Plakate ein Konzert von Mauro Palmas ankündigten, in dem er die Farben des Mistrals beschwören würde. Mich vom König der Winde ablenken zu lassen würde mir guttun, und ich kaufte eine Karte. Gut angelegtes Geld. Zwei Stunden lang ließen mich die Klänge von Laute und Mandoline vergessen, dass ich nicht zum Vergnügen in Paris war.
Die drei Frauen lebten gemeinsam in einer luxuriösen Wohnung nahe der Madeleine, doch Greta suchte regelmäßig eine andere Kirche auf, Saint-Sava, ein serbisch-orthodoxes Gotteshaus. Es befand sich im achtzehnten Arrondissement, in der Rue du Simplon 23, und dort wollte Greta an jenem Tag im Mai heiraten. Oder besser, sie hätte heiraten sollen, einen gewissen Vule Lez, einen achtundvierzigjährigen Belgrader. Man brauchte seinen Namen nur in eine Suchmaschine einzugeben, um zu erfahren, dass er ein bekannter nationalistischer Gangster war.
Mehr hatten wir allerdings nicht herausfinden können, und so wussten wir herzlich wenig über sein Leben und seine Aktivitäten. Er reiste sehr viel, bisweilen verschwand er für zwei, drei Tage. Ihn zu verfolgen war schwierig und extrem gefährlich, Paris ist von speziell ausgebildeten, heimtückischen Bullen durchsetzt, und wer allzu lange vor einem Haustor oder an einer Ecke herumlungert, bleibt keinesfalls unbemerkt. Wenn du jemanden um die Ecke bringen willst, wäre aufzufallen der dümmste Fehler.
Beniamino und ich wohnten in einem Rattenloch in der Nähe der Gare de Lyon. Tag um Tag hinter einer Frau her zu
Weitere Kostenlose Bücher