Bankgeheimnisse
»Ich ahne es. Du wirst es wie früher machen und dir deine Kostüme im Sommerschlußverkauf holen anstatt in Mailand. Außerdem ist das meine Wohnung, Liebes. Wie kannst du mich da rauswerfen?«
»Du vergißt, daß ich von uns beiden die Juristin bin. Ich könnte dir die entsprechende Bestimmung im BGB und in der Hausratverordnung sagen. Aber wozu soll ich meinen Atem verschwenden. Wenn du nicht gehst, tu ich’s. Ich kann die Wohnung sowieso nicht halten.«
Er stieß sich von der Wand ab, kam näher. »Ich habe für ein Jahr im voraus die Miete bezahlt.«
»Wie großzügig«, höhnte sie. »Von dem Modigliani? Ach nein, der hätte für ein paar Jahre gelangt. Sicher ist der Rest für einen neuen Wagen draufgegangen. Was ist es diesmal für einer? Wieder ein Jaguar? Oder etwas Schnelleres?«
»Ich gebe zu, ich war etwas knapp die letzten Monate. Aber ich habe nicht schiefgelegen. Meine Werte waren diesmal top. Es war diese Scheißbaisse, sonst nichts. Das sieht nächsten Monat schon wieder ganz anders aus.« Er schaute sie unverwandt an. »Und den Modigliani habe schließlich ich gekauft, oder nicht?«
Das Bild war sein Hochzeitsgeschenk an sie gewesen, ein verrückter, kaum bezahlbarer Leichtsinn. Damals hatte er mehr Glück an der Börse gehabt. Sie hatte das Bild geliebt. Es war eines der früheren Werke gewesen, eine mit sparsamen Strichen gezeichnete Frauengestalt. »Nächste Woche fahre ich nach Frankreich. In der Provence hat jemand einen Chagall an der Hand. Ich will sehen, ob ich ihn kriegen kann.« Seine Stimme bekam einen lauernden Unterton. »Warum ziehst du nicht das Kleid an? Ich würde dich gern darin sehen.«
Sie ging ins Bad, wollte zusperren. Er kam ihr zuvor, indem er einen Fuß in den Türspalt stellte und sie dann in den Raum drängte. Sie drehte sich weg von ihm, ließ an einem der beiden Waschbecken kaltes Wasser über ihre Hände laufen. »Ich will nicht, Leo. Verdammt, ich will nicht!«
Er folgte ihr. »Du warst wieder bei diesem Itaker. Ich hab’s vorhin schon gerochen. Knoblauch und italienischer Schnaps, eh? Ist der Kerl gut? Bringt er es, dieser Spaghettifresser?«
»Er heißt Fabio Scarlatti.«
Er stand hinter ihr. »Johanna. Komm schon.« Seine Hände waren auf ihrem Bauch, ihren Hüften. Sie stand bewegungslos. Er schob sie gegen das Waschbecken, preßte sich von hinten gegen sie. Als er mit den Lippen ihren Hals suchte, wich sie aus. »Tu’s nicht, Leo. Bitte .«
Er hielt sie fest, umklammerte sie. »Verdammt, was soll das? Du bist meine Frau. Komm. Du willst es doch!«
Sie wußte, wie es weitergehen würde. Es war schon zweimal passiert. Der Ablauf war jedesmal derselbe. Aber sie wehrte sich auch diesmal erbittert. Er war nur knapp einssiebzig und nicht allzu kräftig für einen Mann, aber er war immer noch viel größer und stärker als sie.
Sie trat mit ihren nackten Füßen gegen seine Schienbeine, versuchte, ihn zu beißen. Sie kämpfte gegen ihn, schwer atmend, verbissen, stumm.
Er machte sich nicht die Mühe, sie zum Bett zu ziehen, sondern drückte sie ohne Umschweife zu Boden und hielt ihr die Hände über dem Kopf fest. Er spreizte mit den Knien ihre Schenkel und nahm sie gewaltsam auf den kalten weißen Marmorfliesen des Badezimmers.
Als der Schmerz endlich aufhörte und sie die Augen öffnete, sah sie sein Gesicht über sich. Die Sonne, die durch das Fenster ins Bad flutete, bestrahlte es, ein verzerrtes Vexierbild ihrer eigenen Züge. In seinen leuchtendblauen Augen wich die Lust der üblichen Reue und einem eigenartigen Ausdruck von Sehnsucht, einem verzweifelten Hunger nach etwas, das sie ihm nicht geben konnte. Er hob die Hand und berührte vorsichtig ihr Haar, dann ließ er sie wieder sinken. Er erwiderte ihren Blick, und sie wußte, daß ihre Augen denselben Ausdruck zeigten wie die seinen.
Sie wartete mit abgewandtem Gesicht, bis sie die Wohnungstür ins Schloß fallen hörte, dann stieg sie in die Duschkabine. Durch die klare Acrylglasscheibe sah sie ihre nackte Gestalt im Spiegel, der die gegenüberliegende Wand ausfüllte. Als sie das kalte Wasser aufdrehte, zerflossen ihre Umrisse.
Sie duschte eine halbe Stunde, erst kalt, dann warm. Sie überlegte, ob sie noch einmal in die Bank gehen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Nur mit einem Shorty bekleidet, bereitete sie sich in der selten benutzten Küche einen Imbiß zu, bestehend aus Toast, Tomaten und Käse. Sie aß im Wohnzimmer vor dem kalten Kamin. Später am Abend verfütterte sie
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