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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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demnächst unter Denkmalschutz gestellt.
»Einen Kognak für meinen Freund Sempere, und zwar vom guten, und für den Sprößling da eine Merenguemilch, er muß noch wachsen. Ach ja, und bringen Sie noch ein paar Schinkenwürfelchen, aber nicht wie die vorher, ja? Für Gummi ist die Firma Pirelli zuständig.«
Der Kellner nickte und schlurfte, seine Seele im Schlepptau, davon.
»Ich sag’s ja immer«, bemerkte Barceló. »Wie soll es da Arbeit geben? In diesem Land wird man nicht einmal pensioniert, wenn man gestorben ist. Schauen Sie sich doch den Cid an. Da ist nichts zu wollen.«
Er nuckelte an seiner erloschenen Pfeife, während sein scharfer Blick interessiert nach dem Buch spähte, das ich in den Händen hielt. Hinter seiner Komödiantenfassade und dem ganzen Wortschwall roch er eine gute Beute wie ein Wolf das Blut.
»Na«, sagte er mit gespieltem Desinteresse, »was bringen Sie beide mir also mit?«
Ich schaute meinen Vater an. Der nickte. Wortlos reichte ich Barceló das Buch. Er ergriff es mit kundiger Hand. Seine Pianistenfinger überprüften rasch Textur, Konsistenz und Zustand. Mit listigem Lächeln schlug er die Seite der Verlagsangaben auf und inspizierte sie eine Minute lang wie ein Kriminalbeamter. Die andern schauten ihm schweigend zu, als warteten sie auf eine Offenbarung oder die Erlaubnis, wieder zu atmen.
»Carax. Interessant«, murmelte er in undurchdringlichem Ton.
Ich streckte die Hand ein zweites Mal aus, um das Buch wiederzubekommen. Barceló zog die Brauen hoch, gab es mir aber mit eisigem Lächeln zurück.
»Wo hast du es gefunden, mein Junge?«
»Das ist ein Geheimnis«, antwortete ich und wußte, daß mein Vater bei sich lächelte.
Barceló runzelte die Stirn und schaute meinen Vater an.
»Mein lieber Sempere, weil Sie es sind und wegen der Hochachtung, die ich Ihnen entgegenbringe, und um der langen, tiefen Freundschaft willen, die uns eint wie Brüder – sagen wir vierzig Duros, und damit basta.«
»Das werden Sie mit meinem Sohn diskutieren müssen«, sagte mein Vater. »Das Buch gehört ihm.«
Barceló schenkte mir ein wölfisches Lächeln.
»Was meinst du, Jungchen? Vierzig Duros, zweihundert Peseten, das ist nicht schlecht für einen ersten Verkauf … Sempere, der Junge da wird Karriere machen in diesem Geschäft.«
Eifrig beklatschten die Stammtischgäste den Satz. Barceló schaute mich zufrieden an und zog seine lederne Brieftasche. Er zählte die vierzig Duros ab, damals ein ordentliches Vermögen, und streckte sie mir hin. Ich schüttelte nur stumm den Kopf. Barceló machte ein böses Gesicht.
»Habsucht ist eine hoffnungslose Todsünde, ja? Also, sechzig Duros, und damit legst du ein Sparbuch an – in deinem Alter muß man an die Zukunft denken.«
Ich schüttelte erneut den Kopf. Durch sein Monokel warf Barceló meinem Vater einen zornigen Blick zu.
»Mich brauchen Sie nicht anzuschauen«, sagte mein Vater.
»Ich bin nur als Begleiter hier.«
Barceló seufzte und betrachtete mich aufmerksam.
»Na, mein Kleiner, was willst du denn nun?«
»Ich will wissen, wer Julián Carax ist und wo ich weitere Bücher finden kann, die er geschrieben hat.«
Barceló lachte leise und steckte seine Brieftasche wieder ein; er sah seinen Gegner nun mit andern Augen an.
»Nanu, ein Intellektueller. Sempere, womit füttern Sie denn dieses Kind?«
Er neigte sich in vertraulichem Ton zu mir herüber, und einen Moment glaubte ich in seinem Blick einen gewissen Respekt zu erhaschen, der vor Augenblicken noch nicht dagewesen war.
»Wir werden einen Handel schließen«, sagte er zu mir.
»Morgen ist Sonntag, da kommst du am Nachmittag in die Athenäumsbibliothek und fragst nach mir. Du bringst das Buch mit, damit ich es genau untersuchen kann, und ich erzähle dir, was ich über Julián Carax weiß. Quidproquo.«
»Quidprowas?«
»Latein, Junge. Es gibt keine toten Sprachen, nur abgestumpfte Geister. Umschrieben bedeutet das, daß ein Duro immer fünf und niemals vier Peseten hat, daß du mir aber sympathisch bist und ich dir einen Gefallen tun werde.«
Mit der Beredsamkeit, die der Mann verströmte, war er imstande, die Fliegen im Fliegen zu vernichten, doch ich ahnte, daß ich mich, wollte ich etwas über Julián Carax herausfinden, besser in gutem Einvernehmen mit ihm befand. Ich lächelte ihn selig an, um mein Vergnügen an seinem Küchenlatein und seiner Redegewandtheit zu zeigen.
»Denk dran, morgen im Athenäum. Aber bring das Buch mit, sonst gibt’s keinen

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