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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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überzeugt, daß auch sein Vater von dieser Bücher- und Wörterkrankheit angesteckt ist. Julián hat die Augen und die Intelligenz seiner Mutter, und ich gefalle mir im Glauben, er besitze vielleicht meine Naivität. Mein Vater, der die Buchrücken nur noch schwer entziffern kann, obwohl er es nicht zugibt, ist oben in der Wohnung. Oft frage ich mich, ob er ein glücklicher Mann ist, ob er seinen Frieden hat, ob ihm unsere Gesellschaft hilft oder ob er in seinen Erinnerungen und in dieser Traurigkeit lebt, die ihn stets verfolgt hat. Jetzt führen Bea und ich die Buchhandlung. Ich bin für die Buchhaltung zuständig, und Bea macht den Einkauf und bedient die Kunden, die sie mir vorziehen, was ich ihnen nicht übelnehmen kann.
    Die Zeit hat sie stark und weise gemacht. Sie spricht fast nie über die Vergangenheit, aber oft überrasche ich sie, wie sie in einem Schweigen versinkt, allein mit sich selbst. Julián betet seine Mutter an. Wenn ich sie so zusammen anschaue, weiß ich, daß ein unsichtbares Band sie eint, das ich kaum ansatzweise begreife. Aber ich bin es zufrieden, Teil ihrer Insel zu sein und mich glücklich zu wissen. Die Buchhandlung wirft gerade eben genug ab, um bescheiden leben zu können, und etwas anderes zu machen kann ich mir nicht vorstellen. Die Verkäufe gehen zwar mit jedem Jahr zurück, aber ich bin optimistisch und denke, was aufwärts geht, geht auch abwärts, und was abwärts geht, muß eines Tages wieder aufwärts gehen. Jeden Monat bekommen wir Angebote von Leuten, die die Buchhandlung kaufen und daraus irgendeinen schicken Laden machen wollen. Aber hier bringt man uns nicht weg, es sei denn mit den Füßen voran.
    Fermín und die Bernarda heirateten 1958, und sie haben bereits vier Kinder, alle Jungen und mit der Nase und den Ohren des Vaters. Fermín und ich sehen uns weniger als früher, aber ab und zu wiederholen wir frühmorgens diesen Spaziergang auf dem Wellenbrecher und zimmern uns die Welt zurecht. Fermín hat die Stelle in der Buchhandlung schon vor Jahren aufgegeben und nach Isaac Monforts Tod dessen Ablösung im Friedhof der Vergessenen Bücher übernommen. Isaac liegt auf dem Montjuïc neben Nuria. Ich besuche sie oft. Wir unterhalten uns. Immer duften auf Nurias Grab frische Blumen.
    Mein alter Freund Tomás Aguilar ist nach Deutschland gezogen, wo er als Ingenieur in einer Maschinenbaufirma arbeitet und Wunderdinge erfindet, die ich noch nie habe begreifen können. Manchmal schreibt er einen Brief, immer an seine Schwester Bea adressiert. Vor zwei Jahren hat er geheiratet; seine Tochter haben wir nie gesehen. Jedesmal schickt er Grüße für mich mit, aber ich weiß, daß ich ihn vor Jahren unwiederbringlich verloren habe. Ich denke oft, daß uns das Leben die Freunde der Kindheit aus Eigensinn wegnimmt, aber glauben tue ich es nicht immer.
    Im Viertel geht alles seinen gewohnten Gang, aber es gibt Tage, an denen ich das Gefühl habe, das Licht wagt sich immer mehr vor, kommt nach Barcelona zurück, so, als ob wir es alle gemeinsam vertrieben hätten, es uns aber am Ende verziehen hätte. Don Anacleto hat seine Stelle als Gymnasiallehrer aufgegeben und widmet sich jetzt ausschließlich der erotischen Dichtung und seinen Zeitungskolumnen, die monumentaler sind denn je. Don Federico Flaviá und die Merceditas sind nach dem Tod der Mutter des Uhrmachers zusammengezogen und bilden ein wunderbares Paar, obwohl es nicht an Neidern fehlt, die sagen, die Katze lasse das Mausen nicht und ab und zu gehe Don Federico als Pharaonin herausstaffiert ein wenig fremd.
    Don Gustavo Barceló hat seine Buchhandlung geschlossen und das Kapital an uns transferiert. Er sagte, er habe die Nase voll von der Zunft und wolle sich endlich neuen Herausforderungen stellen. Die erste und letzte war die Gründung eines Verlages zur Neuauflage von Julián Carax’ gesammelten Werken. Vom Eröffnungsband mit seinen ersten drei Romanen (die in einem Bündel Fahnenabzüge in einem Möbellager der Familie Cabestany gefunden wurden) wurden dreihundertzweiundvierzig Exemplare verkauft. Mittlerweile reist Don Gustavo in Gesellschaft distinguierter Damen durch Europa und verschickt Postkarten von Kathedralen.
    Seine Nichte Clara heiratete den Bankier, aber die Verbindung dauerte nur ein knappes Jahr. Die Liste ihrer Liebhaber ist noch immer lang, nimmt aber Jahr für Jahr ab. Jetzt lebt sie allein in der Wohnung auf der Plaza Real und geht immer seltener aus. Eine Zeitlang habe ich sie besucht, mehr, weil Bea

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