Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
Sie übertreffen mich bald an Zynismus.«
Ich schaute ihn an wie ein folgsamer Schüler, der nach dem Beifall eines anspruchsvollen Lehrers giert. Er tätschelte mein Knie und nickte befriedigt.
»Das gefällt mir. Mir gefällt das Aroma von alledem. Sie sollten weiter darüber nachdenken und eine Form dafür finden. Ich werde Ihnen mehr Zeit geben. Und wir treffen uns in zwei, drei Wochen wieder – ich benachrichtige Sie dann einige Tage vorher.«
»Müssen Sie die Stadt verlassen?«
»Verlagsgeschäfte erfordern meine Anwesenheit, und ich fürchte, es stehen mir einige Reisetage bevor. Aber ich fahre zufrieden ab. Sie haben gute Arbeit geleistet. Ich wusste ja, dass ich meinen idealen Kandidaten gefunden habe.«
Er stand auf und reichte mir die Hand. Ich trocknete meine verschwitzten Handflächen am Hosenbein ab und schlug ein.
»Man wird Sie vermissen«, improvisierte ich.
»Übertreiben Sie nicht, Martín, bis jetzt haben Sie ihre Sache gut gemacht.«
Ich sah ihn im Schatten des Umbráculo-Pavillons davongehen, während seine Schritte verklangen. Ich blieb noch eine gute Weile sitzen und fragte mich, ob der Patron wohl angebissen und all die Lügen geschluckt hatte, die ich ihm aufgetischt hatte. Jedenfalls war ich sieher, ihm genau das erzählt zu haben, was er hören wollte. Ich hoffte, dass er sich für den Moment mit diesen Ungeheuerlichkeiten zufrieden gab und überzeugt war, seinen Untergebenen, den glücklosen Schriftsteller, zu sich bekehrt zu haben. Alles, womit ich mir etwas Zeit erkaufen konnte, um herauszufinden, auf was ich mich da eingelassen hatte, schien mir die Mühe wert. Als ich aufstand und den Pavillon verließ, zitterten meine Hände noch immer.
18
Wenn man jahrelang Kriminalgeschichten verfasst hat, kennt man einige Grundregeln dafür, wie eine Ermittlung anzugehen ist. Eine von ihnen lautet, dass jede halbwegs solide Handlung, auch die einer Liebesgeschichte, mit dem Geruch nach Geld und Immobilienurkunden beginnt und endet. Vom Ciudadela-Park aus ging ich zum Grundbuchamt in der Calle Consejo de Ciento, um die Akten einzusehen, die mit dem Kauf, Verkauf und der Eigentümerschaft meines Hauses zu tun hatten. In diesen Grundbüchern finden sich fast ebenso viele Wahrheiten über die Realien des Lebens wie in den gesammelten Werken der vortrefflichsten Philosophen, wenn nicht sogar mehr.
Ich begann mit dem Eintrag, der die Vermietung des Hauses Nr. 30 in der Calle Flassaders an mich verzeichnete. Dort fanden sich die nötigen Hinweise, um der Geschichte des Hauses nachzuspüren. Die Bank Hispano Colonial hatte es 1911 im Zuge des Pfändungsprozesses gegen die Familie Marlasca übernommen. Besagte Familie hatte das Haus anscheinend nach dem Tode seines ehemaligen Eigentümers geerbt. In diesem Zusammenhang wurde auch ein Anwalt namens S. Valera erwähnt, der in der Streitsache als Vertreter der Familie fungiert hatte. Ein Stück weiter in der Vergangenheit zurück fand ich den Eintrag über den Erwerb der Liegenschaft durch Don Diego Marlasca Pongiluppi von einem gewissen Bernabé Massot y Caballé im Jahre 1902. Auf einem Zettel notierte ich mir sämtliche Angaben, vom Namen des Anwalts und der Beteiligten an den Transaktionen bis zu den dazugehörigen Daten. Einer der Angestellten wies lautstark darauf hin, dass das Amt in einer Viertelstunde geschlossen werde, und ich schickte mich an zu gehen, suchte vorher aber noch in aller Eile nach den Eigentumsverhältnissen von Andreas Corellis Villa am Park Güell. Nach fünfzehn Minuten erfolglosen Nachschlagens schaute ich vom Buch auf und sah in die aschfahlen Augen des Angestellten. Es war ein abgehärmter Mann mit von Pomade glänzendem Schnurrbart und Haar, der die giftige Trägheit derer offenbarte, die ihre Anstellung als Tribüne sehen, um den anderen das Leben schwer zu machen.
»Entschuldigen Sie. Ich finde einen Eigentumseintrag nicht«, sagte ich.
»Wahrscheinlich weil es ihn nicht gibt oder Sie sich nicht auskennen. Für heute ist geschlossen.«
Ich erwiderte diese überbordende Liebenswürdigkeit und Effizienz mit einem strahlenden Lächeln.
»Vielleicht finde ich ihn mit Ihrer erfahrenen Hilfe.«
Er sah mich angewidert an und riss mir das Buch aus den Händen.
»Kommen Sie morgen wieder.«
Von da aus führten mich meine Schritte zu dem erhabenen Gebäude der Anwaltskammer in der Calle Mallorca, nur drei Querstraßen weiter oben. Über die breite Treppe, die ich unter Kristalllüstern hinanstieg, wachte
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